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Kein Klimaschutz im neuen Kanzleramt

■ Klimakonferenz: Fachleute kritisieren, daß in Berlin beim Bau noch immer geplant wird wie im letzten Jahrhundert / Ökologische Chancen bei neuen Wohnungsbauprojekten werden nicht genutzt

Ab morgen wird auf dem UNO- Klimagipfel nach Möglichkeiten gesucht, den Kohlendioxidausstoß zu verringern. Ob in Berlin im Baubereich alle Möglichkeiten genutzt werden, wird sehr unterschiedlich bewertet. Zwar lobt Dietrich Flicke von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz die Planung von neuen Wohnbauprojekten. Man achte auf kurze Wege und den Anschluß an den öffentlichen Personennahverkehr. Demgegenüber betont aber Hartwig Berger, umweltpolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, eine Stadterweiterung nach ökologischen Kriterien sei „eindeutig gescheitert“.

Von „dezentraler Konzentration“ kann nach Meinung Bergers bei „den reinen Wohnstädten Karow und Buch“ als Stadterweiterungsgebieten im Berliner Nordosten nicht gesprochen werden. Da die späteren BewohnerInnen ihre Arbeitsplätze zum weitaus überwiegenden Teil in der Berliner Innenstadt hätten, „sind das selbstverständlich keine kurzen Wege“.

Er wirft der Verwaltung vor, daß sie versäumt habe, vor Ort auch wirtschaftliche Unternehmen in entsprechender Zahl anzusiedeln.

Wie wichtig dieses Bemühen sei, unterstreicht auch Stadtplaner Ulrich Pfeiffer, der die Verwaltung aufforderte „dranzubleiben“. Berger rechnet er allerdings vor, daß das Interesse der Unternehmen meistens minimal sei: In Pankow habe er diese Erfahrung machen müssen, „da will keiner Gewerbe treiben – in Buch schon gar nicht“. Keinesfalls entlasse das aber Planer und Verwaltung aus der Verantwortung: „Es müssen Häuser für eine spätere gewerbliche Nutzung vorgesehen werden, selbst wenn man sie zunächst als Wohnraum vermietet.“

Weitsichtige und kreative Planung sei gerade mit Blick auf Verkehrsvermeidung und Klimaschutz notwendig. In öffentlichen Ausschreibungen sei davon bislang aber nichts zu spüren, berichtet Rainer Hascher, Professor für Architektur an der Technischen Universität: „Der Klima-Aspekt hat beim Wettbewerb für das Kanzleramt überhaupt keine Rolle gespielt.“

Auch bei der Stadtentwicklungsplanung für Adlershof im Bezirk Treptow werden nach Haschers Einschätzung „große Chancen vertan“. Statt die Häuser nach Süden auszurichten und so die Sonnenenergie zumindest passiv zu nutzen, sei geplant worden „wie im letzten Jahrhundert“.

Bauherren und Architekten hält er mangelnde Flexibilität vor; trotz geänderter Anforderungen und neuer Erkenntnisse werde an Hergebrachtem festgehalten. So sei es beispielweise möglich, bei anderer Bauweise auf Klimaanlagen zu verzichten oder den Energieverbrauch durch größere Glasflächen zu senken.

Und Peter Förster-Baldenius, bei der Senatsbauverwaltung für ökologischen Stadtumbau zuständig, bezeichnet es als nötig und möglich, „Sonnenkollektoren in die Architektur des Altbaubestands zu integrieren“. Weitgehend einig sind sich die Experten, daß Häuser bald anders aussehen werden als bisher, wenn Klimaschutz ein Teil der Architektur wird. Hascher: „Er wird eine andere Ästhetik hervorbringen, das ist nur eine Frage der Zeit.“ Christian Arns

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