: Nicht St. Germain, nur Giesing
Beim müden 1:0 über 1860 sieht Manager Hoeneß die läuferisch und technisch unterlegenen Bayern „an ihrem Limit“ dilettieren ■ Aus München Markus Götting
Besonders aufregend sind Fußballspiele immer dann, wenn sie auch was für die Yellow press hergeben, speziell in der Bussi-hier- Bussi-da-Metropole München. Da hatte sich also anläßlich des 181. Lokalderbys zwischen dem FC Bayern und dem TSV 1860 allerlei Prominenz versammelt im olympischen Oval – und wurde gewahr eines fulminanten Fotografenknipsens. Aber noch bevor die Paparazzi kamerabepackt die Ehrengasttribüne verlassen hatten, da war schon das erste und einzige Tor gefallen: Mehmet Scholl durchmaß entschlossen das halbe Spielfeld, versetzt lässig Löwen-Libero Bernhard Trares mit einem listigen Haken und schob nach zehn Minuten ein.
Das sehenswerte Solo hätte eigentlich Initialzündung sein können für einen VIP-Sturmlauf aufs Fischbüffet, aber die branchenfremden Fußballgourmets wollten sich weiter laben an den sportlichen Darbietungen auf dem satten Grün.
Schließlich nahm das Spiel einen unerwarteten Verlauf: Es schien, als sei der bei internationalen Vergleichen obligate Trikottausch bereits vor der Partie vollzogen worden, denn kluge Kombinationen, wuchtiger Sturmesdrang und gepflegtes Kurzpaßspiel zeigten einzig die blauweiß Gestreiften. Filigrankick statt Brutalobolzerei führten die sonst als rustikale Raufbolde gefürchteten Gäste dem verdatterten FC Bayern vor: Selbst jene, die in Bedrängnis einst den Ball bis auf den mittleren Rang zu wuchten pflegten, bevorzugten am Samstag den gediegenen Befreiungspaß.
Aber was nutzten 13:6 Eckstöße und all die Chancen, die trefflich für drei Siege gereicht hätten, wenn man sie vergibt und also letztlich eine Niederlage zu betrauern ist? Wozu die rhetorischen Lorbeerkränze und Lobeshymnen, wenn nicht einmal ein Punkt herausspringt im Bemühen um den Klassenerhalt? Werner Lorant, Übungsleiter des Verlierers, hatte zumindest erkannt, „welches Potential in meiner Mannschaft steckt“. Und Mehmet Scholl wollte gar „so etwas bisher nur gegen Paris erlebt“ haben.
Doch Bernhard Winkler, der ebenso wackere wie glücklose Dauerrenner im Löwensturm, ist eben nicht George Weah, Giesing nicht St. Germain und deshalb hat der FC Bayern obsiegt. „Lieber scheiße spielen, aber dafür gewinnen“, hat Scholl als Botschaft des Spätnachmittags verkündet. Widersprechen mochte da niemand. Die Bettelballtreter blamierten die Edelkicker von der Säbener Straße, spielten sie schwindelig, waren läuferisch wie technisch überlegen. „Meine Mannschaft war müde“, sagte FCB-Trainer Giovanni Trapattoni, „ich weiß nur nicht, wovon.“ Denn eigentlich hätte doch der TSV ermattet daherkriechen müssen, nach der diensttäglichen Schufterei im Nachholspiel gegen Tabellennachbar Uerdingen. Statt dessen trieb der begnadete Fußartist Peter Nowak mit zirzensischem Geschick die Löwen durch die Manege, doch auch dem polnischen Nationalspieler blieb nur Fron statt Lohn: Nach drei vergebenen Möglichkeiten war er schwer „enttäuscht von meiner Chancenauswertung“.
Es ist schon eigenartig, daß nach erfolgreichem Prestigeduell sich ein jeder Bayernspieler zur Rechtfertigung gezwungen sah. Christian Ziege etwa, der jüngst in die nationale Fußballauswahl Zurückberufene, dem es aber offenbar an elementaren Fertigkeiten mangelt. Oder Alain Sutter, der abgemagerte Schweizer Stürmer, der bereits in der ersten Hälfte überflüssig war und konsequenterweise ausgetauscht wurde, weil das Bayern-Mittelfeld, nachdem Trares aufgerückt war, überrannt zu werden drohte.
Nur Uli Hoeneß, der Manager, war keineswegs erstaunt über den fußballerischen Konkursantrag seiner Angestellten. „Viele spielen an ihrem Limit“, glaubt Hoeneß, mangelnde Brillanz führt er auf das Fehlen der Kreativkräfte zurück. „Wir haben nicht umsonst Strunz, Herzog und Sforza eingekauft“, sagt der Bundesliga-Headhunter, der rechtzeitig zum Frühlingsbeginn mit dem Putzwedel durch den Kader stöbert. Erstaunlich nur, daß die mutmaßlichen Opfer des personellen Revironments schicksalsergeben über die Wiese trabten. Ein Beitrag zur Arbeitsplatzsicherung waren die jeweils dreißigminütigen Auftritte der Herren Sutter und Schupp jedenfalls nicht.
1860 München: Meier - Trares - Kutschera, Miller - Rydlewicz (76. Störzenhofecker), Stevic, Schwabl, Nowak, Dowe - Erhard, Winkler
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen