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Gepflegte Sauerei

■ Ein Schweineleben in Herrlichkeit: Eigene Betten und ein separater Sanitärbereich – der Ferkel-Luxusstall mit Solarstrom

Vorwerk Ein „Schweineleben in Herrlichkeit“ haben die Ferkel von Heino Müller vor sich: Der Landwirt aus Vorwerk (Landkreis Rotenburg/Wümme) betreibt seit zwei Wochen Deutschlands ersten „Luxus-Schweinestall mit Solaranlage“. Luftige Umgebung, isolierte Liegebetten sowie Aktivitätsbereiche mit abgetrenntem Toilettenbereich gehören nunmehr zu den Annehmlichkeiten, auf die das moderne Schwein von heute nicht mehr zu verzichten braucht.

Die Idee zum Bau der ferkelgerechten Unterkunft wurde allerdings nicht aus reiner Schweineliebe geboren, räumt der 53 Jahre alte Landwirt ein. Sein Sohn wollte bei der Hofarbeit „einsteigen“, die künftig genug Erträge für zwei kleine Familien abwerfen sollte. Also reifte der Plan zur Erweiterung der bestehenden Schweinemast, die jetzt nach dem „Nürtinger System“ funktioniert. Dabei liegt die Temperatur im ungeheizten Stall im Jahresdurchschnitt bei nur acht Grad. „Keine Heizkosten und weniger CO2-Ausstoß – das ist mein Beitrag gegen die Klimakatastrophe“, meint Müller.

In seinem Stall liegen die Tiere dicht nebeneinander in kistenförmigen und isolierten Verschlägen, in denen die Körpertemperatur bei knapp 30 Grad gehalten wird. Nur die Köpfe der Schweine lugen aus den Kisten und schnuppern ungeheizte, aber relativ frische Stalluft. „Die Tiere schwitzen nicht mehr und kommen besser zur Ruhe. Im angrenzenden Aktivitätsbereich können sie fressen und sich austoben“, erklärt der Luxusstall-Besitzer. Die ersparten Heizkosten machten eine größere Gesamtfläche der Anlage möglich. 1,1 Quadratmeter beträgt die Fläche pro Tier, das sind mehr, als im Tierschutzgesetz vorgeschrieben ist.

Eine aufwendige Solar- und Photovoltaik-Anlage auf dem Dachboden sorgt für warmes Trinkwasser und den Betrieb der Futterpumpen. Müller schätzt, daß dadurch die Energiekosten von 15 Mark pro Mastplatz auf eine Mark im Jahr gesenkt werden können. Die Gesamtkosten für die über 700 Schweine fassende Anlage beziffert er auf rund 700000 Mark – „zehn Prozent geringer als ein konventioneller Stall“.

Nach rund 110 Tagen sind aber auch für Heino Müllers Schweine die rosigen Zeiten vorbei: Die Viecher landen ganz traditionell im Schlachthof und sollen dort mehr Geld als konventionell gemästete Tiere in die Kasse bringen. Ob das neue Stallsystem auch vor der Schweinepest schützt, glaubt Landwirt Müller zwar nicht. Doch „das ist ähnlich wie beim Menschen: Ein fittes und gesundes Tier steckt sich nicht so schnell an“.

Hans-Christian Wöste, dpa

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