: Angerechnet wird fast gar nichts
■ Entwicklungsländer sperren sich gegen Klima-Tauschgeschäfte mit den Industriestaaten
Berlin (taz) – Eine Debatte haben die Länder des Südens erst einmal erfolgreich abgebogen: Eine Anrechnung von CO2-Einsparungen in der Dritten Welt auf das Konto der Industrienationen wird es vorerst nicht geben. Dieses Konzept der „Joint Implementation“, der gemeinsamen Umsetzung von Klimaschutz, sieht vor, daß sich Industriestaaten Kohlendioxid-Einsparungen in anderen Ländern gutschreiben lassen, wenn sie die Verbesserung finanziert haben. Doch bereits bei der letzten Vorbereitungskonferenz in New York hatten die G-77-Staaten gemeinsam mit China ein Papier erarbeitet, in dem sie dem Konzept eine eindeutige Absage erteilen. Erlauben wollen sie Joint Implementation nur, wenn die Industriestaaten die CO2-Minderung in Staaten Osteuropas finanzieren.
Das paßt den Delegierten aus den USA und Australien überhaupt nicht, und auch die Europäische Union mault leise. Denn sie hatten gehofft, die in Rio vereinbarten CO2-Minderungen durch Joint Implementation ganz billig realisieren zu können. In Berlin drängen die USA deshalb darauf, daß die Debatte erst einmal verschoben wird – und spekulieren darauf, die gemeinsam marschierenden G-77-Staaten nach und nach zu spalten. Schon in den letzten Jahren haben die Vereinigten Staaten angefangen, Kraftwerke in Lateinamerika zu bauen. „Sie rechnen eindeutig damit, sie sich später doch noch anrechnen zu lassen“, sagt Lise Backer vom Climate Network Europe, die die Diskussion seit längerem beobachtet. Die G-77-Autoren aber definieren solcherlei Projekte als „joint actions“ – als Technologietransfer, zu dem sich die Industrienationen vor drei Jahren in Rio ohnehin verpflichtet haben.
Auch die Umweltgruppen sind gegen das Joint-Implementation- Konzept. „Die Industrienationen sollen erst einmal die von den AOSIS-Staaten vorgeschlagene CO2-Reduzierung um 20 Prozent bis 2005 zu Hause hinkriegen. Danach kann man über eine Pilotphase reden“, meint Backer. Allerdings lauerten auch dann noch zahlreiche Gefahren. Denn das Konzept fußt darauf, daß die Kohlendioxideinsparungen kontinuierlich gemessen werden. „Weil die Kosten für die Überwachung hoch sind, werden die Investoren lieber wenige große als viele kleine Anlagen bauen“, fürchtet die Umweltschützerin aus Brüssel. Die Effizienz der Anlagen sei dann vielleicht nicht mehr so wichtig. Hinzu komme, daß viele Länder noch gar keine konkreten Pläne haben, wieviel Energie sie benötigen. Sie könnten versucht sein, vielleicht auf Anregung eines Industrielandes, den Bau eines Kraftwerks mit uralter Technik anzumelden und sich dann ein moderneres Werk hinstellen zu lassen. „Es ist nicht auszuschließen, daß durch Joint Implementation mehr Meiler gebaut werden als ohne. Am Ende könnte die Kohlendioxidmenge sogar noch höher sein“, fürchtet Backer.
Eine neue Studie der Umweltschutzorganisation Greenpeace warnt vor einem höheren Flutrisiko für Europa, sofern der Anstieg der Treibhausgase nicht gebremst wird. Bei einer Verdoppelung der CO2-Konzentration in der Atmosphäre könnte der Regen im Winter zwischen zehn und zwanzig Prozent zunehmen. „Wie viele Jahrhundertfluten wollen die Bundesregierung und die Industriestaaten abwarten?“ fragte Greenpeace-Klimaexperte Oliver Worm. Annette Jensen
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