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Ab nach Marzahn

■ Diepgen will Mahnmal für Sinti und Roma nicht am Pariser Platz, sondern in Marzahn / Dort war ab 1936 "Zigeunerlager"

Der Zentralrat der Sinti und Roma wird anscheinend wieder einmal verschaukelt. Vor drei Jahren forderte er ein gemeinsames Mahnmal für alle Opfer des Naziterrors, Bonner und Berliner Politiker aber entschieden sich für eine separate Gedenkstätte für die rund 500.000 ermordeten Sinti und Roma. Als Trost wurde dem in Heidelberg ansässigen Zentralrat signalisiert, daß das Mahnmal ebenfalls an zentraler Stelle – in der Nähe des geplanten Holocaust-Denkmals für die ermordeten europäischen Juden am Pariser Platz – errichtet werden soll.

Jetzt aber befürchtet der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen plötzlich eine „Inflationierung“ von Gedenkstätten in der Nähe des Brandenburger Tors. Er sähe das Denkmal lieber am östlichen Stadtrand, da der „historische Aspekt“ für Marzahn spreche, so Diepgen. Von einer Abschiebung an die Peripherie der Stadt könne in diesem Zusammenhang nicht gesprochen werden, sagte Senatssprecher Butz zur taz. In Marzahn hätte das Denkmal einen geschichtlichen Bezug zum Ort der Verschleppung. Butz erinnerte, daß es keinen Senatsbeschluß für einen Standort gäbe. Der Bausenator müsse nun zu dem Diepgen- Vorschlag Stellung nehmen.

In Marzahn errichteten die Nationalsozialisten kurz vor dem Beginn der Olympischen Spiele 1936 ein Sammellager für Sinti und Roma, um die Hauptstadt „zigeunerfrei“ zu machen. „Zur Bekämpfung der Zigeunerplage“, wie es Reichsinnenminister Frick formulierte, verschleppte die Polizei ab Juli 1936 Sinti und Roma in die Marzahner Baracken. Ab 1938 wurden die rund 1.200 Insassen nach und nach in die Konzentrationslager von Oranienburg und Auschwitz deportiert und dort größtenteils ermordet. Im Marzahner Sammellager überlebten nur 25 gefangene Sinti und Roma.

Für den Zentralrat der Sinti und Roma indessen gilt der Gedenkort in der Mitte Berlins als verabredet. Noch im Dezember 1994 versicherte Bürgermeisterin Christine Bergmann (SPD) dem Vorsitzenden des Zentralrats, Romani Rose, ein Platz zwischen Brandenburger Tor und Reichstag stehe zur Verfügung. Auch Bausenator Wolfgang Nagel (SPD) machte sich wiederholt für diesen Standort stark. Selbst die Wettbewerbsjury des Mahnmals für die ermordeten Juden Europas empfahl noch vor drei Wochen dem Senat, den Standort für das Gedenken an die Sinti und Roma nahe des Reichstags festzuklopfen.

Der vorgesehene Termin im Mai für die öffentliche Auslobung eines Denkmalwettbewerbs scheint nach dem Diepgen-Querschläger nun wieder völlig offen. Es sei unwahrscheinlich, sagte Ralf Schlichting, Pressechef der Bauverwaltung, daß der Senat sich in Kürze für einen der beiden Orte entscheiden würde. Schlichting warnte zugleich davor, das Denkmal für Sinti und Roma als Wahlkampfthema zu mißbrauchen.

Überhaupt scheint die Standortfrage immer mehr für einen Koalitionsstreit herzuhalten. Während sich die SPD dagegen ausspricht, das Mahnmal „an die Peripherie“ abzuschieben, möchten Teile der CDU es anscheinend genau dort haben. Die Errichtung eines Holocaust-Denkmals bedeute „keinen Automatismus“ für weitere Gedenkstätten, polemisierte CDU-Geschäftsführer Volker Liepelt schon vor Wochen. Uwe Lehmann-Brauns, kulturpolitischer Sprecher der CDU, tut nun das, was Politiker in Streitfragen immer gerne tun: ein Hearing organisieren. Im Mai sollen unter anderem Henryk M. Broder, Lea Rosh sowie Vertreter der Sinti und Roma mal wieder über die Standortfrage reden. Ute Scheub/Rolf Lautenschläger

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