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Kneipenführer für notgeile Jungs

„An den Zapfhähnen der Bistros und Kneipen pulsiert ein ganzes Panoptikum unterschiedlicher Lebensweisen von Vergnügungssüchtigen, die diesen nächtlichen Archipel als Tatort für ihre nie preisgegebene Freiheit reklamieren.“ Oh ja! Ich bin Kneipengängerin, also bin ich! Doch wo lasse ich meinem ungehemmten Freiheitswillen nun seine Läufigkeit?

Da will der Kneipenführer „Bremen zwischen Sekt und Selters“, soeben in zweiter Auflage im „ars vivendi verlag“ erschienen, die richtigen Tips geben. Damit das Technohäschen nicht im schnöden Snobladen landet und umgekehrt. Doch was sich selbst als „pfiffige Kombination aus Wegweiser und Warnsirene“ verkauft, entpuppt sich als Druckwerk gewordenes Sammelsurium feuchter Träume notgeiler Jungs, verpackt in gewollt-witzigem Schreibstil.

Von der „gutbürgerlichen Wein- stube bis zum ekstasebeschwörenden Techno-Tempel“ sind 80 angeblich tonangebende Kneipen, Bars, Cafès und Discos der Stadt auf jeweils einer Seite beschrieben – was heißt be- schrieben. Bereits das flüchtige Überfliegen von Überschriften wie „Oh Sabine!“, „Sophisticated Lady“ und „Die zehnte Muse“ sowie des Vorwortes („Was wären die vielen Kneipen ohne ihre Bedienung? Sie nämlich sind die eigentlichen Feen und Zauberinnen“) läßt uns zweierlei Dinge ahnen. Erstens: Worum es in Wahrheit geht beim Rumkneipen und Nächte-um-die-Ohren-Schlagen. Und zweitens: Hier waren Männer am Werk, was der Blick ins Autorenimpressum bis auf eine Ausnahme sogleich bestätigt.

Das läßt dann auch mal Sätze aus dem Gehege seiner Zähne wie „Jede Signorina im Service ist ein Traum von kühlem Marmor und heißen Nächten.“ In die höchste Qualitätskategorie (sex Kelche) wurde wohl nicht aus Zufall eine Kneipe eingestuft, in der „fast achtzig Prozent der Gäste bezaubernde Femmes und süße Prinzessinnen ohne männliche Begleitung“ sind.“ Neben Vorlieben solcher Art erfahren wir nebenbei Dinge wie das gesteigerte Wertlegen eines der Autoren auf einen Salzrand am Margarita-Glas – wobei es doch viel interessanter zu erfahren wäre, wo es Frozen Margarita gibt!

Nun kann es einer sauer aufstoßen, daß die Testtrinker um sämtliche Homo-Kneipen Bremens ein großer Bogen gemacht haben – so eine Auswahl ist ja subjektiv, gell... Eine absolute Unverschämtheit aber ist es, wenn das „Take Off“ als einziger schwuler Laden mit dem Satz „Die einen haben Flugzeuge im Bauch, die anderen hoffen auf einen Jumbo in der Hose des anderen“ beschrieben wird.

Die „ausgeprägte Neigung zum Nachtleben bedeutet auch geistige Frische“, will uns „Bremen zwischen Sekt und Selters“ weismachen, und weiter: „Mondsucht und Dämlichkeit vertragen sich eben nicht miteinander.“ Dabei beweist nicht nur jeder Kneipenbesuch, sondern auch diese Lektüre ganz unverblümt das Gegenteil.

Susanne Kaiser

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