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Die Teilzeit-Kita am Nachmittag

Der Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz kommt 1996 zwar, doch schon bauen die Länder vor / Eltern müssen mit Nachmittagsplätzen und größeren Gruppen rechnen  ■ Von Barbara Dribbusch

Berlin (taz) – In Niedersachsen baut man vor. Um allen Eltern drei- bis sechsjähriger Sprößlinge von 1996 an einen Kindergartenplatz bieten zu können, berät der Landtag gegenwärtig über eine denkwürdige Gesetzesänderung. „Künftig soll laut Kindertagesstättengesetz auch ein Platz in einer Nachmittagsgruppe als vollwertiger Kitaplatz gelten“, berichtet eine Sprecherin des Niedersächsischen Städtetages. Der Trick aus Hannover ist eine von mehreren Varianten, mit denen die Landesregierungen versuchen, den gesetzlich garantierten Anspruch auf einen Kita-Platz möglichst kostengünstig zu erfüllen. Nach dem wirklichen Bedarf der Eltern wird dabei nicht unbedingt gefragt.

Kinder im Alter zwischen drei und sechs Jahren haben ab 1996 laut Gesetzestext „Anspruch auf den Besuch eines Kindergartens“. Die Länder wollen zwar noch eine Stichtagsregelung durchsetzen, nach der nur jene Kinder einen Platz bekommen, die bis zum 1. August drei Jahre alt geworden sind. Ansonsten aber „gehen wir davon aus, daß der Rechtsanspruch im nächsten Jahr gültig wird“, bekräftigt Birgitta Worringen, Sprecherin im Familienministerium. Mit dem Anspruch kommen die Kosten für die Kommunen: rechnerisch fehlen in der Altersgruppe der Drei- bis Sechsjährigen etwa 350.000 Plätze. Und das, obwohl in den vergangenen Jahren Hunderte von Kitas neu gebaut wurden. Aber der Geburtenanstieg drückt die Quote. Um den Anspruch zu garantierten, setzt man nun nicht nur in Niedersachsen auf die „Nachmittagsreserve“. Auch in NRW sollen Kinder, die bisher leer ausgingen, demnächst einen Platz in den „ausgedünnten“ Nachmittagsgruppen der Kitas bekommen, so ein Sprecher des Sozialministeriums in NRW. „Die rechnen sich damit gesund“, meint Gabriele Wichert, Sprecherin des Deutschen Kinderschutzbundes. „In vielen Fällen gehen solche Nachmittagsgruppen am Bedarf vorbei“.

In Rheinland-Pfalz haben die Planer schon einschlägige Erfahrungen mit dem Bedarf gesammelt. Hier haben die Drei- bis Sechsjährigen laut Landesgesetz schon seit 1993 einen Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz „in Teilzeitform“. „Wir benötigen vor allem an den Vormittagen den vollen Bestand an Personal. Nachmittags sind mancherorts 50 Prozent der Plätze nicht besetzt“, sagt Wolfgang Neutz, stellvertretender Geschäftsführer des Städtetags Rheinland-Pfalz.

„Teilzeitplätze sind am meisten nachgefragt“, sagt auch Willi Gillmann, Jugendhilfeplaner in der Stadtverwaltung Kaiserslautern. Mit einem Gesamtangebot von 2.826 Plätzen für rund 3.000 Kinder ist die Stadt rein rechnerisch gut versorgt. 80 Prozent der Kitaplätze werden nur mit Teilzeitbetreuung angeboten. „Die Kindergärten öffnen morgens, schließen dann über Mittag und bieten am Nachmittag wieder ein paar Stunden Betreuung an“, berichtet Gillmann. Nur 20 Prozent der Plätze offerieren ganztägige Aufsicht. „Eltern, die einen Ganztagesplatz suchen, bekommen ihn auch“, meint der Planer. Trotzdem stößt manches berufstätige Elternpaar auf Probleme: „Mitunter sind Fahrzeiten einzukalkulieren“, so Gillmann. Ein ganztägig arbeitendes Elternpaar in einem Vorort findet nicht unbedingt immer einen passenden Kitaplatz im Wohngebiet.

Einklagen aber läßt sich auch 1996 weder der Anspruch auf einen Ganztagesplatz vor Ort noch auf eine Betreuung bestimmter pädagogischer Qualität. Im Bundesgesetz steht zwar der Passus: „Die Träger haben darauf hinzuwirken, daß ein bedarfsgerechtes Angebot an Ganztagesplätzen vorgehalten wird.“ „Das gerichtlich einzufordern dürfte aber eine knifflige Rechtsangelegenheit werden“, glaubt Norbert Struck, Jugendhilfereferent beim Paritätischen Wohlfahrtsverband.

Klagen helfen auch wenig, wenn das Angebot nicht genehm ist. In Frankfurt beispielsweise protestiert der Gesamtelternbeirat der Kitas dagegen, daß die Gruppen in den Kindergärten künftig von 20 auf 23 Kinder vergrößert werden. „Was dann übrigbleibt, ist die bloße Aufbewahrung“, empört sich Barbara Lautermilch, Vorsitzende des Frankfurter Beirats.

Obwohl politisch ein Fortschritt, dürfte der Rechtsanspruch vielen berufstätigen Eltern im Alltag wenig helfen. Denn sie wünschen sich in der Regel eine Kinderbetreuung, die beginnt, wenn die Kleinen ein oder zwei Jahre alt sind. Hier sind Eltern jedoch nach wie vor auf Eigeninitiative angewiesen: Statistisch sind von den Drei- bis Sechsjährigen 79 Prozent mit einem (Teilzeit)-Kindergartenplatz versorgt – von den Kindern unter drei Jahren aber nur drei Prozent.

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