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Sparen durch Druck von oben

■ "Arbeitsunwillige" und "einmalige Leistungen" im Visier von Bundesgesundheitsminister Seehofer / Sozialämter sind jetzt zur Kürzung verpflichtet, wenn Betroffene Beschäftigungsangebote verweigern

Berlin (taz) –Das Sozialamt Berlin-Wedding hatte in den 80er Jahren einen besonders miserablen Ruf. Zeitweilig wurden Sozialhilfeempfänger von dort zur gefürchteten Tagelöhnervermittlung auf den Fruchthof geschickt. Wer nicht für ein paar Mark mit anpacken wollte, dem drohte die Streichung der Sozialhilfe. Solche Praktiken könnten wieder einreißen, wenn Seehofers Pläne umgesetzt werden.

Nach seinen Vorschlägen müssen die Sozialämter künftig bei einer „Verweigerung zumutbarer Arbeit“ die Regelsätze um ein Viertel kürzen. Allzu groß ist das Potential nicht: Nach einer Umfrage des Deutschen Städtetages unter 85 Mitgliedsstädten mit insgesamt 10 Millionen Einwohnern haben im Jahre 1993 pro Stadt etwa 61 SozialhilfeempfängerInnen die Annahme von Beschäftigungsangeboten verweigert. In Leipzig offerieren die Stadtoberen rund 1.000 Beschäftigungsplätze für Sozialhilfeempfänger. Seitdem stellte man dort allerdings einen „überproportionalen Rückgang“ der Leistungsempfänger fest. Möglicherweise schrecke allein das Arbeitsangebot manche SozialhilfeempfängerInnen ab, vermutet man im Rathaus.

Der Druck auf die SozialhilfeempfängerInnen ist der eine kritische Punkt, das Lohnabstandsgebot der zweite. Das Abstandsgebot soll auf 15 Prozent festgeschrieben werden. Das heißt die „Stütze“ für eine fünfköpfige Familie soll künftig um 15 Prozent unter dem Durchschnittseinkommen unterer Lohngruppen liegen. Bisher sei dies in den alten Ländern mit einem Lohnabstand von 16 Prozent und – etwas weniger – in den neuen Ländern mit einem Lohnabstand von 13 Prozent schon gewährleistet, sagt Seehofer. Die neue Koppelung an die Niedriglöhne öffnet aber Spielraum für künftige Kürzungen bei einer schlechten Nettolohn-Entwicklung. Da die einmaligen Leistungen (Bekleidung, Einrichtungsgegenstände) in die „Vergleichsrechnung einzubeziehen“ sind, liegt die Vermutung nahe, daß das Lohnabstandsgebot künftig über eventuelle Minderungen dieser Leistungen eingehalten werden könnte.

„Die Tendenz, die einmaligen Leistungen runterzufahren, ist eindeutig“, sagt Jürgen Maier, Referent bei der Landesarbeitsgemeinschaft Soziale Brennpunkte in Hessen. Nach einer Umfrage von Sozialhilfeinitiativen differierten die gewährten einmaligen Leistungen jetzt schon je nach Sozialamt und Land um bis zu 50 Prozent. Eine Alleinerziehende mit einem Vorschulkind bekommt im Durchschnitt laut Statistik derzeit etwa 140 Mark „einmalige Leistungen“ pro Monat. Diese Leistungen sollen nicht nur in die künftigen Lohnabstandsrechnungen miteinbezogen, sondern auch laut Seehofer „soweit wie möglich pauschaliert“ werden.

Es ginge bei diesem Vorschlag nicht um Einsparungen, sondern um eine Verwaltungsvereinfachung, behauptet der Minister. Mit einer Pauschalierung verschwinde aber der Ermessenspielraum, erklärt Maier. Bei den Sozialämtern, die jetzt schon Pauschalierungen gewährten, lägen die einmaligen Leistungen häufig unter den Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge. Die Empfehlungen dieses Vereins galten bislang als Richtschnur für die Sozialämter. Barbara Dribbusch

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