: Die Wunschmaschine
■ War die "Private Life Show" am letzten Samstag doch eine gelungene ARD-Satire? Eine Replike
Wünschen Sie sich nicht angesichts des laufenden Fernsehprogramms auch gelegentlich „Wünsch Dir was“ zurück? Oder noch besser: Eine Show mit wahrem Warencharakter, in der zum Wohle der Quoten die Kandidaten beim Seelenstriptease so lange gequält werden, bis sie am Ende den Moderator massakrieren?
Doch, das haben wir uns seit Wolfgang Menge und Tom Toelles „Das Millionenspiel“ schon häufig herbeigesehnt. Damals, 1970, inszenierte die ARD angeblich eine skrupellose Menschenjagd. Die Gameshow war natürlich gefaked, wurde aber von etlichen Zuschauern durchaus für bare Münze genommen. Was zu beweisen war.
Michael Seyfrieds „Private Life Show“ kam diesem Wunsch nach intelligentem Skandalfernsehen ziemlich nahe: In Form eines konsequent als Show angekündigten Fernsehspiels karikierte man mit inszenatorischen Mitteln die Kaltschnäuzigkeit desjenigen Fernsehens, das den Wunsch der Zuschauer ausbeutet, einmal im sozial privilegierten Rahmen medialer Inszenierung aufzutreten.
Und eine gewisse Glaubwürdigkeit muß man der „Private Life Show“ schon attestieren, rückte doch während der laufenden Sendung sogar eigens ein Saarbrücker Streifenwagen aus, nachdem ein Zuschauer die Polizei zum Eingreifen in das telegene Tun aufgefordert hatte. Das allein adelt doch das öffentlich-rechtliche Tun: Für ARD-Verhältnisse ist es bereits ein Wunder, daß vorher niemand ausposaunte, hier würde „nur“ eine Satire ausgestrahlt. Im Nachhinein mag man dem TV-Spiel handwerkliche Mängel vorwerfen. Aber haben wir uns nicht alle zu Anfang gefragt: „Ist das jetzt ein Fake?“ und erst dann umgeschaltet ins professionelle Prüfprogramm: „Wie gut ist das Konzept umgesetzt?“
Allein die Sympathie dafür, so etwas überhaupt zu lancieren, wiegt meiner Meinung nach schwerer als vermeintliche Fehler in der Ausführung. Zweifellos wurde hier versucht, Elemente des sattsam bekannten und beliebten Showbetriebs pointiert vorzuführen. Per eingetippter Geldsumme bewertete das Publikum, wie „ehrlich“ die Kandidaten sich den Fragen des Moderators stellen. Dann der der Auftritt des Seelen- Schiedsrichters, die Psychodrama- Spieleinlage und der Reality-TV- mäßige Besuch bei den Kindern. Nach der „Werbepause“ schließlich die dubiose Hypnose, während der die Kandidatin unter Tränen gestand, von ihrem Vater mißbraucht worden zu sein. Haben wir das alles nicht schon einmal irgendwo gesehen? Den Volkshochschuljuroren des Grimme-Instituts den Zitatenreichtum der Show zu erläutern, wird allerdings ein hartes Stück Arbeit. Manfred Riepe
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