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Da waren ziemlich viele ziemlich sauer

■ Der Berliner Autonomie-Kongreß konnte keine Einigkeit über die Frage erzielen, ob es eine objektive Wahrheit gibt. Nun droht die totale Desorientierung

Die These ist ziemlich umstritten: „Ein radikales Nein zu jeder Form von Herrschaft bedeutet auch ein radikales Nein zu jeder Form von objektiver Wahrheit.“ Im Hörsaal 101 der Technischen Universität wird am Freitagnachmittag mit einem Mal ganz autonom philosophiert. Was von der Referentin als Absage besonders gegenüber dogmatischen und kommunistischen Theoremen gemeint ist, wird von einem Teil der über hundert ZuhörerInnen als grundsätzliche Absage an linksradikale Politik (miß-)verstanden.

„Tendenziell gefährlich“, schimpft einer, sei eine solche Aussage. Und um's zu belegen, stellt er die Frage: „Ist die Ausbeutung der dritten Welt keine objektive Wahrheit?“ Ein anderer assistiert: Imperialismus, Patriarchat und Rassismus — objektive Wahrheit sei, daß dagegen vorgegangen werden müsse. Linksradikale hätten die Plicht, dafür Überzeugungsarbeit zu leisten. Und wer dies in Frage stelle, der laufe Gefahr, „die eigenen Reihen total zu desorientieren“.

Ein anderer hält dagegen: „Ich bin doch nicht Linksradikaler geworden, weil ich eingesehen habe, daß das objektiv richtig ist. Sondern weil mir die Gesellschaft hier ganz einfach nicht paßt.“

„Was die Menschen nicht selber wollen“, heißt es dazu in der während des Kongresses erstellten konpress, „dazu kannst du sie auch nicht anleiten. Wenn du ihnen deine Wahrheit reindrücken willst, endet das in Mord und Totschlag. Es gibt kein Programm, keine objektiv gemeinsamen Interessen unveränderlich gesetzter Gruppen.“ Vielleicht ist das wenigstens objektiv wahr?

„Ich will niemanden überzeugen“, sagt die Referentin weiter, sondern die Menschen konfrontieren mit dem „eigenen Handeln“. Und da, wo jemand auf der anderen Seite der Barrikade stehe, da sei es notwendig, diesem „Grenzen zu setzen“. Die Räume für den Kongreß etwa, die seien auch nicht via Überzeugungsarbeit zur Verfügung gestellt worden. Die „Sprache der Fakten“ habe dafür gesorgt. Den Verantwortlichen sei schlußendlich aufgegangen, daß bei einer weiteren Verweigerung der Räumlichkeiten ziemlich viele ziemlich sauer geworden wären. Die Verhandlungen wären daraufhin plötzlich ganz anders verlaufen. Und überhaupt, wenn hier der Genosse von der objektiven Wahrheit der patriarchalen Unterdrückung rede: Vor zwanzig Jahren noch kein Wort davon. Diese Wahrheit habe „erkämpft“ werden müssen.

Wieder ein anderer meint, zwischen objektiven und „ewigen“ Wahrheiten unterscheiden zu müssen. Und bleibt die Ausführung schuldig, was seines Erachtens unter den ewigen Wahrheiten zu subsumieren sei. Ostern: Es ist ein Kreuz mit der Wahrheit. Wolfgang Gast

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