: Ausgestorbene S-Klassenmodelle
■ betr.: „Auf der Überholspur in den Klimastau“, Streitgespräch zwi schen Wolfgang Sachs und Gunter Zimmermeyer, taz vom 28. 3. 95
[...] Herr Zimmermeyer hat leider darauf verzichtet zu erklären, in welcher Form denn die „Mobilitätsverlierer“ am Gewinn der „Beschleuniger“ beteiligt werden sollen. Mich hätte nämlich schon interessiert, ob da ein Stück „Sozialethik“ zum Vorschein gekommen wäre.
Beim Stichwort „Wettbewerb in der Natur“ verbunden mit „der Schnellste und Kräftigste überlebt“, stand der Vertreter der Automobilindustrie dann ganz nahe am rhetorischen Abgrund. Wer sich nur am Rande mit diesem Thema beschäftigt, weiß zumindest, daß die „S-Klassenmodelle“ in der Natur, wie Tyrannosaurus Rex, Mammut und Säbelzahntiger, keineswegs erfolgreiche Lebensformen sind oder vielmehr waren, denn sie sind ausgestorben trotz Kraft und Schnelligkeit, während Ratten und Haustauben am Buffet gut klarkommen.
Das letzte und platteste Argument, auf die Kurzform „Beschleunigung sichert Arbeitsplätze“ gebracht, kann nicht einmal aus der Sicht der Automobilindustrie aufrechterhalten werden. Die meistverkauften Modelle in der Autogeschichte waren nämlich keine S-Klassen-Mercedes, Porsche oder Ferraris, sondern die bescheidenen, aber äußerst erfolgreichen Verkaufsschlager VW-Käfer, Citroän 2 CV „Ente“ und Ford T-Modell „Lissi“. Damit wurden in Herrn Zimmermeyers Branche Millionen Arbeitsplätze geschaffen. Die Arbeitsplätze der Zukunft entstehen zur Zeit im Umweltbereich (etwa 600.000, Tendenz zunehmend), im Freizeitsektor (Fahrradtourismus: höchste Zuwachsrate laut taz vom 11. 3. 95 „Nix läuft ohne Fahrradminister“) und im Telekommunikationsbereich.
Die Behauptung „Mobilität = Geschwindigkeit“ ist leicht zu widerlegen. Im Innenstadtbereich steht ein Porsche vermutlich im Stau, während ein Fußgänger oder Radfahrer hier im Bereich von 5 bis 20 Kilometern pro Stunde deutliche Mobilitätsvorteile besitzt.
Auch den unverschämten Vorwurf an Herrn Sachs, dieser werde ja aus Steuermitteln bezahlt, da er Mitarbeiter eines öffentlichen Instituts ist, und deshalb würde er sich um Arbeitsplätze wohl wenig Gedanken machen, bräuchte dieser sich nicht gefallen zu lassen. Die wunderschönen Autobahnen und Bundesstraßen, auf denen Herrn Zimmermeyers arbeitsplatzsichernde Straßenkreuzer dahinbrausen, werden nämlich ebenfalls aus Steuermitteln bezahlt, und nicht zu knapp. [...] Peter Hammerer, München
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