: Stadtwerke-Verkauf auf Eis gelegt
■ Wedemeier und Fluß beim Schummeln erwischt / Keine Mehrheit für 49-Prozent-Verkauf
Bremen kann Geld sparen: Die auf morgen festgesetzte Sondersitzung der Bürgerschaft zum Verkauf der Stadtwerke ist abgeblasen. Gestern entschieden alle demokratischen Bürgerschaftsfraktionen einhellig, daß sie sich den Termin schenken können, denn: Erstens zeigen trotz vierwöchiger Suche durch die SPD und Bürgermeister Wedemeier nach Mehrheiten für das bereits paraphierte Vertragspaket mit VEBA, Ruhrgas und dem belgischen Konzern Tractebel alle anderen Fraktionen die kalte Schulter, und zweitens besteht überhaupt kein Grund zur Eile. Klaus Wedemeier und Finanzsenator Manfred Fluß waren zwar über Wochen mit der Behauptung durch Presekonferenzen und Sitzungen gezogen, Bremen verliere mit jedem Monat, in dem die Stadtwerke nicht verkauft seien, vier Millionen Mark – doch diese Behauptung hat sich nun als glatte Unwahrheit herausgestellt. Wahr ist: In den Verträgen ist geregelt, daß die Käufer ab dem 1. Mai rund sieben Prozent Zinsen auf den Kaufpreis bezahlen, ganz egal, wann die Verträge letztendlich von den Gremien abgesegnet werden. Im Klartext: Bremen verliert keine müde Mark, auch wenn sich die Bürgerschaft Zeit läßt. Kommentar der FDP zu den Manövern von Wedemeier und Fluß: „Inkompetenz hat zwei Namen“.
Am vergangenen Mittwoch hatte Klaus Wedemeier noch einmal versucht, die Fraktionsvorsitzenden von CDU, FDP und Grünen zur Zustimmung zum Verhandlungspaket für den Verkauf von 49,8 Prozent der Stadtwerke an die drei bekannten Interessentan zu bewegen, jedoch ohne Erfolg. Zwar aus unterschiedlichen Gründen, aber nichtsdestotrotz einhellig blieben die anderen bei ihrer Ablehnung. Auch da hatte Wedemeier die Fraktionen noch einmal beschworen, wieviel Geld Bremen doch verliere, wenn sie nicht zustimmten.
„Das war alles Quatsch“, ärgerte sich CDU-Fraktionschef Peter Kudella dann auch gestern noch über die Sitzung bei Wedemeier. Denn inzwischen war öffentlich geworden, was ganz entgegen der gebetsmühlenartig wiederholten Parolen des Bürgermeisters und seines Finanzsenators tatsächlich in den Verträgen steht. Das war am Freitag, bei einer hochnotpeinlichen Sitzung der Finanzdeputation. Auch da hatte Finanzsenator Manfred Fluß noch einmal die Geschichte von den Zinsverlusten erzählt. Daraufhin fragte Reinhard Metz von der CDU Ulrich Keller, ob das denn stimme, was sein Senator da erzähle. Keller mußte es schließlich wissen, denn er war der Bremer Verhandlungschef in Sachen Stadtwerke. Und Ulrich Keller referierte den entsprechenden Passus in der Verträgen: Stichtag für den wirtschaftlichen Übergang der Aktien ist der 1.5.1995. Ab dem Übertragungstag seien von den Käufern Zinsen auf den Kaufpreis an Bremen zu zahlen. Der Zinssatz solle drei Prozent über dem Diskontsatz der Bundesbank liegen, macht rund sieben Prozent. Das Geld wird bezahlt, sobald alle zuständigen Gremien zugestimmt haben, so Keller. Woraufhin der Finanzsenator nach Aussagen der TeilnehmerInnen kurzfristig zur Salzsäule erstarrt sein soll.
„Mann, Mann, jetzt weiß ich bald überhaupt nicht mehr...“ Einigermaßen konsterniert kamen gestern einige SozialdemokratInnen nach dieser überrraschenden Wende aus der SPD-Fraktionssitzung. Gerade hatten sie beschlossen, was die anderen Fraktionen sowieso wollten: keine Sondersitzung, weil unnötig. „Der Passus ist in der letzten Verhandlungsrunde noch in die Verträge reingekommen“, erklärten Klaus Wedemeier und SPD-Fraktionschef Claus Dittbrenner unisono. Das sei „in der Hektik übersehen“ worden, so Dittbrenner. Diese Hektik nuß allerdings dann Wochen gedauert haben, denn die Veträge waren bereits in der Woche vor Ostern fix und fertig verhandelt auf dem Tisch des Rathauses.
Entsprechend fielen auch gestern die Reaktionen der anderen Fraktionen aus. Wedemeier habe versucht, allen GegnerInnen der Verträge Millionenverluste in die Schuhe zu schieben, damit die am Ende doch noch seine „Friß-oder-stirb-Vorlage“ absegneten, wetterte Elisabeth Hackstein von den Grünen. Jetzt räche sich, daß Klaus Wedemeier in der entscheidenden Verhandlungspase die anderen Fraktionen nicht einbezogen habe. Heinrich Welke von der FDP: „Ein hohes Maß von Inkompetenz.“
Was nun aus dem Verhandlungspakelt wird, das steht weiter in den Sternen. Am 8. Mai tritt die Bürgerschaft zu ihrer letzten Sitzung in dieser Legislaturperiode zusammen. Da werden die Vertragsentwürfe nochmal zur Abstimmung stehen. Doch ob da Mehrheiten zustande kommen, daran will niemand glauben. SPD-Fraktionschef Claus Dittbrenner: „Da ändert sich nichts mehr.“ J.G.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen