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Press-SchlagVetter? Nie gehört!

■ Die beste deutsche Taekwondoka kann nicht mehr erfolgreich sein

Nein: Schokoriegel schiebt sie sich nicht vor aller Öffentlichkeit in den Mund. Auch zieren nicht italienische Nudeln ihr Haar. Cathrin Vetter? Nie gehört? Kein Wunder, die 20jährige betreibt Taekwondo – eine Kampfsportart, deren Bekanntheitsgrad irgendwo zwischen Gurkenglas-Schnellöffnen und Kirschkern-Weitspucken anzusiedeln ist.

Indes: Unter hochleistungssportlichen Aspekten gehört sie zu den Erfolgreichsten ihres Metiers. Fünfmal heimste die Taekwondoka den nationalen Titel ein, bei der letzten WM im New Yorker Madison Square Garden brach sie in die Phalanx der Asiatinnen und durfte sich Weltmeisterschafts-Bronze um den Hals hängen. Übrigens als einzige der deutschen Nationalfrauschaft.

Doch dem, was auch für die Deutsche Taekwondo Union ein Meilenstein war, ließ die Athletin – eine Pause folgen.

Bronzefrau, die keiner kennt: Cathrin Vetter Foto: Knott

Die Ausbildung zur Polizeimeisterin minimierte den sportlichen Aufwand. Der Verzicht auf stetes Training, sagt Vetter, sei ihr keineswegs schwergefallen und eine Vernunftentscheidung gewesen, denn: „Mit dem Sport kann ich mir nichts kaufen.“ Für Taekwondokas in Deutschland gibt es keine andere Perspektive. Die Frage, ob man das Hobby zum Beruf machen könnte, stellt sich nicht, solange Taekwondo minimale bis gar keine mediale Präsenz aufzuweisen hat. Dementsprechend fiel auch Cathrin Vetters Salär stets sehr mager aus: Ihr WM-Edelmetall etwa wurde mit 1.500 Mark (in Raten ausbezahlt) honoriert – „ein Witz“, findet sie, „verglichen mit dem, was in anderen Sportarten fließt“.

Unlösbares Dilemma: Das Hobby muß professionell betrieben sein, wenn man Medaillen gewinnen will, und der Beruf nicht aus den Augen verloren werden, weil nur er eine Zukunft hat. Mit der Konsequenz: Der berufliche Gewinn zieht den sportlichen Verlust nach sich. Zwar ist Cathrin Vetter noch Nationalfrauschaftsmitglied, doch mittlerweile vom A- in den B-Kader zurückgestuft. Lehrgänge fielen ebenso aus wie Auftritte in Deutschlands Nachbarstaaten. Bundestrainer Josef Wagner habe ihr jedoch schon signalisiert, daß einer Rückkehr in den A-Kader nichts im Wege stehe.

Aufgestiegen ist die Polizeimeisterin auch in der Gewichtsklasse (jetzt „bis 60 Kilogramm“). Vorbei also die Zeit der Enthaltsamkeit, etwa vor der WM in New York, als sie mehrfach am Tag trainierte, auf jedes Grämmchen achtend. Doch das Kalorienabschwitzen ist sie leid: „Ich achte keinen Millimeter mehr auf meine Ernährung.“ Und: „Ich seh's nicht mehr ein, vor wichtigen Wettkämpfen abnehmen zu müssen. Das habe ich lange genug gemacht.“

Für ein Ziel würde sich Vetter nochmals der Askese aussetzen. „Der ganz große Erfolg fehlt mir noch“, sagt eine, die WM-Bronze gewonnen hat. Nun: Die nächsten globalen Titelkämpfe stehen in diesem Lenz auf den Philippinen bevor. Voraussetzung aber ist die Qualifikation bei der deutschen Meisterschaft in Heidelberg am 29. und 30. April. Vetter weiß um das sportliche Risiko dieses Starts: „Wenn ich mich gut vorbereite, aber in Runde eins ausscheide, dann ist der Zug für mich abgefahren.“ Und die Konsequenz: „Bevor ich mich blamiere, laß ich es lieber bleiben.“ Knüpft sie aber – trotz langer Pause – an die bisherigen Erfolge an, stünde internationalen Aufgaben nichts mehr im Wege. Doch Cathrin Vetter hat offenbar gelernt, zwischen beruflichen und sportlichen Zielen abzuwägen. „In die Zukunft kann ich nicht mehr so weit planen“, sagt sie, schon gar nicht bis Sydney 2000, wo die Taekwondokas erstmals olympisch ran dürfen, was dem Verband und seinen Athletinnen neue Perspektiven geben soll. Aber, sagt Vetter: „So was ging vielleicht in meiner Schulzeit, aber im Berufsleben geht's nicht mehr.“ Thilo Knott

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