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Mischen, sudeln und matschen

■ Felix Droese zeigt in der Produzentengalerie Plastiken und Malerei im Großformat

„Schweinewelt“: Das ist nicht etwa ein abgefahrener Kommentar zum Zustand der Welt, sondern eine tatsächlich existierende Fachzeitschrift mit „Berichten und Informationen für die Schweinepraxis“. Die Sonderausgabe zur „Eurotier 93“ hat der Künstler Felix Droese zusätzlich zu ihrer realsatirischen Anmutung mit dem schwarzen Holzstempel „Geld“ überdruckt.

Droese sieht das Geld nach dem Menschenopfer, dem Tieropfer und der Tierhaltung als letztes und heiligstes Mittel in der Kette, die die Beziehungen zwischen den Menschen und den Göttern organisiert. „Man muß die Kunst nutzen, um die großen Fragen der Menschheit im gesellschaftlichen Leben zu lösen“, sagt der 45jährige Württemberger.

Die aktuelle Ausstellung in der Hamburger Produzentengalerie heißt Entführung nach dem Titel der über zwei mal drei Meter großen, orgiastischen Malerei mit Tierblut und Bitumen auf Leinwand. „Mischen, sudeln und matschen ist dem Menschen angeboren“, zitiert Droese den alten Goethe und wendet sich gegen eine viel zu kopflastige Kunsterklärung. Die aktuelle Kunst ist ihm überhaupt viel zu versöhnlich. Schon in den Ausstellungstiteln häufe sich das Wörtchen „und“, dabei sei doch „gegen“ viel interessanter: Kunst gegen Politik, Politik gegen Kunst, Malerei gegen Blut, Geld gegen Kunst, Kunst gegen Geld.

Der Mythos der Entführung der Europa durch den Stier bleibt für ihn auch angesichts der aktuellen Änderungen der Grenzen aktuell: 1988 hatte er eine Landkarte mit Öl und Erde verändert und dabei eher zufällig die DDR durch Überdeckung zum Verschwinden gebracht...

Droese ist einer der wenigen Künstler aus der legendären Düsseldorfer Beuys-Klasse, der sich weiterhin im Widerspruchsfeld von Kunst und Antikunst bewegt und den politischen Anspruch nie aufgegeben hat. 1988 verwandelte er den deutschen Pavillion der Biennale de Venezia zum „Haus der Waffenlosigkeit“. Die Hamburger Kunsthalle besitzt seine große Scherenschnitt-Installation „Ich habe Anne Frank umgebracht“.

Von seinen Plastiken aus Fundholz, mit denen er zusätzlich auch Drucke erzeugt, sagt Droese: „Kunst steckt in der Natur, man muß sie nur herausreißen, dann haben wir sie.“ Dazu bedient sich seine Kunst der ganzen Breite der künstlerischen Techniken und findet neben komplexen, gebrochenen Formen auch zu ganz einfachen Formulierungen: Neben einer Springform liegt der mit ihr geformte Kuchen aus Erde. Eine Arbeit, die aus einem Projekt in einer psychiatrischen Anstalt entstanden ist und die Erde als Inhalt und Form wieder in ihr Recht einsetzt.

Alle verschiedenen künstlerischen Zugangsarten umkreisen nach Droese immer dasselbe Problem: „Wie bewältige ich die Lage, wie komme ich durch?“ Neben dem Ausgang führt eine verrottete Wasserwaage in der Plastik „Laß es sein“ die übergenau ordnenden Maßsysteme völlig ad absurdum und entläßt die Besucher ratlos mit dem Gedanken an den programmatischen Droese-Satz: „Ich kenne nichts, was die Idee von menschlicher Freiheit besser trägt, als Kunst.“

Hajo Schiff

Produzentengalerie Hamburg, Michaelisbrücke 3, Mo - Fr 11-13 und 15- 19 Uhr, Sa 11-14 Uhr; bis 27. Mai

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