■ Normalzeit: Nachwehende Rohstoffe
In der Akademie der Künste, im Jazzkeller der Hochkultur, fand am Montag abend die „Weltpremiere“ des Erwin-Leiser-Films über Otto John statt, mit anschließender Diskussion, an der sich auch der mittlerweile in einem Sanatorium lebende Otto John beteiligte. Die zumeist aus Interviews und Wochenschau-Zitaten bestehende Dokumentation hatte laut Leiser zum Ziel, John zu rehabilitieren. Um dessen Pensionsgelder hatte sich bereits Richard von Weizsäcker gekümmert.
John zählt ebenfalls zu den „Widerständlern“ des 20. Juli. Er konnte am 22. Juli über Madrid nach England entkommen, wo er für den Geheimdienst arbeitete. Mit Theodor Heuss' Hilfe wurde er dann erster Präsident des Verfassungsschutzes. Er war umgeben von Altnazis, erwähnt seien Gehlen, Globke, Oberländer. 1954 entführte ihn der KGB nach Ostberlin, wo er in der Folge einige aufsehenerregende Pressekonferenzen gab, auf denen er den antikommunistischen Affekt der Adenauer-Regierung bei Wiederbewaffnung und Nato- Beitritt kritisierte.
Mit Hilfe eines dänischen Journalisten gelang ihm dann die Flucht vom Lustgarten durchs Brandenburger Tor in den Westen, wo er in Sicherheitsverwahrung genommen und schließlich zu zwei Jahren Zuchthaus verknackt wurde, von ehemaligen Militärrichtern, die dem Bundesgerichtshof vorsaßen.
Egal ob Otto John nun entführt wurde und ob das ein unfreundlicher Akt war oder ein ideologischer Plutoniumschmuggel, Filme mit Zielrichtung sind immer erst mal spannend, denn ihr Erfolg, Zuschauerzahlen etc., alles muß sich daran messen, ob in diesem Fall Otto John noch vor seinem Tod rehabilitiert wird. Daran arbeitet der Regisseur auch weiterhin, wobei er auch schon wieder neues Material ausgegraben hat.
Zuletzt sah ich dort den ähnlich funktionierenden Film „Madame L'Eau“ von Jean Rouch, in dem es um eine billige Bewässerungsmethode von Feldern am Niger geht – mit holländischen Windmühlen anstatt benzinbetriebener Motorpumpen, wobei die Windmühlen für den Einsatz am Niger noch einmal verbessert wurden. Der Film besteht aus genau dieser Geschichte: von der ersten Schnapsidee über die Inbetriebnahme der Mühlen bis hin zur Fahrt einiger Bauern vom Niger durch Holland – in einem Cadillac-Cabrio des niederländischen Entwicklungshilfeministers.
Anders als Leisers Film hat also der von Jean Rouch sein Ziel bereits erreicht. Das macht ihn weniger spannend, ist aber überzeugungskräftiger. Zudem spielt Leisers Dokudrama sich in einer Szene ab, mit der man nichts zu tun haben möchte – die „Widerständler“ aus Distinktion, zu denen zählt im übrigen auch Höhenzollernprinz Louis Ferdinand, damals bei der Lufthansa als Repräsentant beschäftigt. Unter diesem Anti-Pöbel-Affekt leidet die Lufthansa meiner Meinung noch heute, aber genauso auch die Akademie der Künste, insofern hatte der stürmische Applaus der zur „Weltpremiere“ äußerst zahlreich erschienenen Kulturträger der Stadt auch durchaus etwas bereits realisiert Windmühlenhaftes.
Louis Ferdinand sprach bei der Verhaftung von John von einer deutschen Dreyfusaffäre, andere redeten bereits seit dessen Kollaboration mit den Engländern von einer „doppelten Loyalität“. Dabei braucht mittlerweile selbst eine Supermarktkassiererin eine „doppelte“, wenn nicht gar eine „triple Loyalität“ – sonst ist sie verloren!
Eine andere Strategie verfolgt der im Leiser-Film mehrmals interviewte Markus Wolf: Eitel bis zur Nullnummer! Aber vielleicht hat er bloß einfach nicht genug Geld für seine John-Aussage bekommen? Das Nachrichtenmagazin Spiegel (der NMS) bezahlt ihm jetzt sogar seine Privatsekretärin – eine Juristin, die ansonsten für Gerhard Mauz in den Gerichtssälen sitzt. Helmut Höge
wird fortgesetzt
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