: Das Museum als Dienstleister
■ Die Ausstellung „Die Großstadt als Experiment – Planungen am Potsdamer Platz“ zeigt im Bauhaus-Archiv das, was die debis-Manager vorgeschrieben haben
Kein Investor in Berlin verkauft sich und seine Bauprojekte besser als Daimler-Benz. Auf das Baugrundstück am Potsdamer Platz luden die Stuttgarter Herren 1993 zu nächtlichen Jazz-Sessions. Im Weinhaus Huth, ihrem Außenposten vor Ort, lagen die Pläne aus. Und selbst zur Grundsteinlegung für die debis-Zentrale am Landwehrkanal 1994 wurde ein Feuerwerk mit Volksfest inszeniert. Berührungsängste hatten die debis- Manager nie. An Selbstbewußtsein für das Büro- und Dienstleistungsgewitter am Potsdamer Platz mangelte es ihnen ebensowenig.
Um dem Bauvorhaben nun gar zu musealer Bedeutung und historischer Reminiszenz zu verhelfen, schreckt debis nicht davor zurück, noch vor der Fertigstellung das Potsdamer-Platz-Projekt im Bauhaus-Archiv zu präsentieren. „Ein Stück Großstadt als Experiment“ lautet der Titel der Ausstellung. Damit wird auf die turbulente Historie des Ortes in der Berliner Mitte angespielt, der immer Raum für Neuerungen bot. 1850 ratterte hier die erste Eisenbahn vorüber, kurz danach bohrte sich die U-Bahn unter dem Platz hindurch.
Am Potsdamer Platz stand 1924 die erste Verkehrsampel Europas. 1929 hielt die bauliche Moderne Einzug. Erich Mendelsohn errichtete mit seinem Columbia-Haus ein Symbol der klassischen Moderne. „Wir fühlen uns dieser Geschichte verpflichtet und streben eine Fortsetzung der Traditionen an“, bekannte Hans-Jürgen Ahlbrecht, debis-Geschäftsführer, gestern. Ein Mythos und dessen Rückkehr wird also beschworen.
Gerechterweise muß man sagen, daß die Schau im Bauhaus- Archiv – die sich ausschließlich um die Daimler-Planungen kümmert, und die der anderen Investoren (Sony, ABB, Hertie) außen vor läßt – mit aktuellen Modellen und Plänen aufwartet, die eine Ahnung von dem geben, was am Potsdamer Platz auf uns zukommt. Aus den Entwürfen der Sieger des städtebaulichen Wettbewerbs (1991) Hilmer & Sattler entwickelte Renzo Piano, Gewinner des Realisierungsverfahrens 1992/93, ein differenziertes Bürohaus-Puzzle, dessen soziale Qualitäten aber bis dato viel zu wünschen übriglassen.
Zwar hat es Piano geschafft, das Bauvorhaben auf insgesamt neunzehn Baublöcke und sechs Architekturteams aufzuteilen. Dennoch bleiben die beiden spitzwinkligen Hochhäuser am Potsdamer Platz, das Musical-Theater im Rücken der Staatsbibliothek und die dicken Blöcke, die bis zum debis- Turmbau am Landwehrkanal reichen, dominant. In dieser Büro- City gelingt es darum nicht allen Architekten, die vielbeschworene „Mischung und Vielfalt“ wirklich in Baukunst umzusetzen. So zeigen die Modelle von Rafael Moneo und Arata Isozaki eher eine Vielfalt an Künstlichkeit und Design als eine an Urbanität.
Andererseits schaffen es Piano, Richard Rogers (London) oder auch Hans Kollhoff (Berlin) mit ihren Plänen, den historischen Maßstab aufzunehmen und die Traditionen fortzuschreiben. Rogers entwarf beispielsweise zwei Bürohäuser, die die technische Dimension seiner Röhren- und Glasbauten am Centre Pompidou fortführen. Piano und Kollhoff dagegen nehmen an ihren Hochhäusern die Spuren der Chicagoer Moderne aus den dreißiger Jahren auf, wobei Kollhoff sein Hochhaus durch Backsteinfassaden konservativ statt zeitgenössisch überlädt.
Gerechterweise muß man aber auch fragen, was die Pläne wirklich an Neuem zeigen, wurden sie doch bei Einzelwettbewerben oder schon im Frankfurter Architekturmuseum gezeigt. So bestätigt sich der Verdacht, daß sich ein Investor nun auch in einem öffentlichen Berliner Museum gut verkaufen darf – und das Bauhaus-Archiv spielt ohne Zucken mit. Was werden die Bauhäusler sagen, wenn im Mai die ersten Hochbauten aus der Erde wachsen und ihnen das nicht gefällt? Oder welche Haltung dürfen sie zum Ergebnis 1998 einnehmen? Sie müssen schweigen. Rolf Lautenschläger
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