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■ ÖkolumneEs wird teuer Von Gabi Haas

Hat sich die Anti-Atom-Bewegung verändert? Irgendwann am Tag des Castortransports hat ein Fernsehmoderator diese Frage gestellt. Unsicherheit bei der Reporterin in Gorleben. „Nein“, sagt sie dann, das sei heute wie damals eine Gratwanderung zwischen friedlichem Protest und gewalttätigen Aktionen.

Eine krasse Fehleinschätzung, die dadurch nicht wahrer wird, daß sie in unsäglichen Kommentaren und dümmlichen Statements von Politikern wiederholt wird – ob aus bloßer Unkenntnis, Opportunismus oder politischem Kalkül: Es lohnt nicht, darüber zu spekulieren. Selbst Monika Griefahn sah sich bemüßigt, sich von nebulösen Gewalttaten zu distanzieren – eine Frau, die selbst aus der Bewegung kommt und in der Gewaltfrage früher präzise zu differenzieren wußte.

Die offizielle Atompolitik, so scheint es, trennt sich nur ungern vom überkommenen Bild des in zwei Lager gespaltenen Widerstands. Tatsächlich hat sich die Anti-Atom-Bewegung während der letzten zehn Jahre in zweierlei Hinsicht gewandelt. Zum einen hat man die viel beschworenen Gewalttäter, die auch Menschen gefährden, in Gorleben schon lange nicht mehr gesehen (die Gerüchte um Stahlgeschosse gegen Polizisten sind schnell wieder verstummt). Nach der Statistik des niedersächsischen Innenministers haben sich von 7.600 eingesetzten Beamten nur sieben verletzt gemeldet.

Gewalt gegen Personen ist tabu, Gewalt gegen Sachen dagegen nicht. Denn in der Bürger-Bewegung im Wendland – und das ist die zweite tiefgreifende Veränderung – ist die Akzeptanz gegenüber Rechtsbrüchen und handfesteren Widerstandsformen gestiegen. Bombendrohungen, brennende Barrikaden, zerstörte Bahngleise: Na und? Volkes Stimme fühlt sich Recht und Ordnung weit weniger verpflichtet, als diejenigen, die mit ihrem Namen öffentlich für den Widerstand stehen. Denn die Menschen, die die schmutzigen Geschäfte der Atompolitik hautnah erfahren, vertrauen dem Rechtsstaat immer weniger. An Demonstrationsverbote hält sich in Lüchow-Dannenberg niemand mehr. Wenn Schüler atomfrei bekommen, Bürgermeister, Geschäftsleute und Geistliche mit Jugendlichen aus der Stadt gemeinsam auf der Straße sitzen und ein örtlicher Großgrundbesitzer eigenhändig den Baumstamm absägt, der anschließend quer über der Castor- Strecke liegt – dann sind das Zustände, die zu Hochzeiten des Gorleben-Widerstands undenkbar gewesen wären. Fast auf den Tag genau vor 15 Jahren wurde die erste Tiefbohrstelle von einigen hundert Atomkraftgegnern besetzt. Ihr legendäres Hüttendorf – die Republik Freies Wendland – wurde vier Wochen später von einem dem Castortransport vergleichbaren Polizeiaufgebot plattgewalzt. Damals waren Freaks und Fremde noch weitgehend isoliert im Landkreis, wo man sie heute herzlich willkommen heißt.

Kein Zweifel: Mit der Einlagerung des ersten hochstrahlenden Atommülls im Zwischenlager müssen die Gorleben-Gegner eine Niederlage verkraften. Sie wird ihre Spuren in den Gemütern hinterlassen. Genau dagegen haben sie sich seit 18 Jahren gewehrt – und bis zum letzten Moment gehofft, daß der Tag X abgeblasen würde. Doch noch haben die Atombefürworter die Machtprobe nicht für sich entschieden. Im Gegenteil: Gerade durch die zur Unzeit heraufbeschworene Konfrontation hat die Bewegung eine neue Perspektive bekommen. Eine der größten polizeilichen Machtdemonstrationen in der bundesrepublikanischen Geschichte war nötig, um einen einzigen Castor-Behälter ins Zwischenlager zu bringen. Eine ganze Nation hat das millionenteure Spektakel am Bildschirm verfolgt. Kein Staat kann es sich leisten, eine derartige Inszenierung beliebig oft zu wiederholen.

Doch genau das ist nun das Ziel des Widerstands. Castor soll finanziell und politisch unbezahlbar werden. Klar ist: Die Zeiten der Großdemonstrationen fernab von den Brennpunkten des Geschehens sind vorbei. Eine Chance hat die Bewegung nur dort, wo vielfältige Aktionen von der örtlichen Bevölkerung mitgetragen werden. Wo hinter jedem Blockierer zehn andere stehen, die sich nur deshalb nicht daneben setzen, weil sie sich dazu psychisch oder körperlich nicht in der Lage sehen. Genau dieser Rückhalt macht den Gorleben-Widerstand für auswärtige Atomgegner so attraktiv. Es täusche sich keiner, die Tränen der Verzweiflung am Zwischenlager waren keine Tränen der Resignation.

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