Sanssouci: Vorschlag
■ El Vez, The Lovely Elvettes & The Memphis Mariachis
Früher einmal war er einfach nur ein ganz normaler Elvis-Fan wie du vielleicht nicht, aber ich schon. Dann arbeitete Robert Lopez aber in einer Galerie, dort wurde Kunst, die den King zum Thema hatte, ausgestellt, und der damals in einer Punkband spielende Latino Lopez dachte sich nach mehreren mit Elvis-Kitsch verbrachten Wochen: „Entweder hasse ich Elvis fortan, oder ich gehe den Weg zu Ende“. Er ging den Weg zu Ende und wurde El Vez. Die Koteletten wuchsen schnell, die Hemden bekamen gewaltige Krägen und blieben offen bis zum Bauchnabel und es begann ein ebenso witziges wie intelligentes Spiel mit Codes und Symbolen. Lopez imitierte Elvis nicht einfach, er schuf ihn neu: „I'm not an Elvis imitator, I'm an Elvis impersonator.“ Bei ihm wandelt sich der Sohn eines weißen Landarbeiters zu einem Jungen aus dem mexikanischen Viertel einer amerikanischen Großstadt, der auf wundersame Weise zum Rock'n'Roll-Star wird. Der US-Kulturimperialismus wird ausgekontert. Aus „In the ghetto“ wird „In el barrio“. „You ain't nothing but a hound dog“ ist „You ain't nothing but a chihuahua“. „Viva Las Vegas“ ist „Viva La Raza“. Und wurde auf Santanas Instrumental „Samba Pa Ti“ nicht ursprünglich schon immer der Text von „Are you lonesome tonight“ gesungen? „Suspicious Minds“ hieß in Wirklichkeit „Immigration Time“ und ist eine Abrechnung mit der Einwanderungspolitik der USA: „I'm caught in a trap, I can't walk out/ Because my foot's caught in this border fence.“ Und „It's now or never“ war natürlich kein Liebeslied, sondern ein Anti-Gang-Song: „Manana will be too late, it's now or never let's stop the hate“.
Auf der Bühne arbeiten El Vez, sein aufgemaltes Oberlippenbärtchen, seine Band, die Memphis Mariachis, und die Lovely Elvettes, die beiden Backgroundsängerinnen, überdeutlich heraus, daß auch die musikalischen Wurzeln des Rock'n'Roll nicht etwa in Blues und Country lagen, sondern in Samba und TexMex. Rekonstruierte Fassungen von „Little Sister“ („Chicanisma“) oder „Blue Suede Shoes“ („Hurarches azules“) erwarten dich! Sehr schnell erwächst aus dem großen Spaß die Gewißheit, daß der Rock'n'Roll eigentlich südlich des Rio Grande erfunden wurde und Generationen von Popjournalisten uns belogen haben. Die Geschichte muß neu geschrieben werden, soviel ist klar. Und nach dem fünften Kostümwechsel von El Vez weiß man auch, woher Elvis seinen späten Klamottenfimmel hatte. Und daß er so dick wurde, weil er wußte, daß sein Ruhm nur geklaut war. Thomas Winkler
Heute, 21 Uhr, Huxley's Jr., Hasenheide 108-114, Neukölln
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