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Kroaten greifen UN-Schutzzonen an

■ Angeblich „begrenzte Aktion“ gegen Krajina-Serben / Waffenruhe in Bosnien abgelaufen

Zagreb/Sarajevo (AP/taz) – In der größten Offensive seit Ende des Krieges in Kroatien sind kroatische Truppen gestern in zwei der vier UN-Sektoren an der Grenze zu Bosnien einmarschiert. Der Einmarsch in eine dritte schien sich abzuzeichnen. Die Sektoren gelten als UN- Schutzzonen für die Krajina-Serben.

Der Angriff der kroatischen Armee schien sich zunächst vor allem gegen UNO-Blauhelme zu richten. Sie eroberte nach unbestätigten Berichten drei von neun UN-Posten im Gebiet Gospic, Otocac und Perusic. Ein vierter war umkämpft. Die übrigen fünf seien von UN- Truppen gehalten worden, nachdem sie Befehl zur Verteidigung ihrer Posten erhalten hatten. Sie seien aber von den Kroaten umzingelt.

Der Krieg in Kroatien, dessen Beginn von der Regierung in Zagreb als „begrenzte Aktion zur friedlichen Wiedereingliederung der Krajina-Serben“ bezeichnet wurde, hatte um 7.00 Uhr mit einem Angriff auf serbisches Gebiet an einem Teilstück der Autobahn Zagreb–Belgrad begonnen. Der Vormarsch verlief nahe der Grenze zu Bosnien. Mit Panzern angegriffen wurde die Stadt Pankrac, hier nahmen die Serben 26 UN-Soldaten fest. Nach unbestätigten Berichten drangen kroatische Truppen in Okucani ein. Die Krajina- Serben schossen nach eigenen Angaben zwei Hubschrauber der kroatischen Armee ab. Der bosnische Serbenchef Radovan Karadžić drohte mit einem Angriff über die Grenze hinweg, wenn die kroatische Artillerie das Feuer auf bosnisches Gebiet nicht einstelle. Bundesaußenminister Klaus Kinkel reagierte auf die kroatische Offensive mit einem vorsichtigen Appell an den kroatischen Präsidenten Franjo Tudjman. Das Vorgehen „gebe Anlaß zu Beunruhigung“, jede Eskalation müsse vermieden werden.

In Bosnien lief gestern um 12 Uhr das seit dem 1. Januar geltende Waffenstillstandsabkommen aus. Der Sondergesandte der UNO, Yasushi Akashi, hatte sich zwar das ganze Wochenende um eine Verlängerung des Vertrags bemüht. Hierzu erklärten sich jedoch lediglich die bosnischen Kroaten bereit. Die bosnische Regierung lehnte ebenso wie die Führung der bosnischen Serben eine erneute Vereinbarung ab. Eine Verlängerung sei für die Bosnier nur möglich, wenn Serbenchef Karadžić den Teilungsplan der internationalen Kontaktgruppe anerkennt. Karadžić selbst forderte die Aufhebung der UNO-Sanktionen gegen Serbien. Daß auf dem Verhandlungsweg derzeit fast nichts mehr möglich ist, zeigte sich gestern auch daran, daß das Treffen zwischen dem UN- Vermittler und dem bosnischen Staatspräsidenten Alija Izetbegović nicht zustande kam. Akashi hatte von dem Präsidenten eine Zusage für eine „maximale Zurückhaltung“ der bosnischen Regierungsarmee bei den sich ständig ausweitenden Kämpfen erhalten wollen.

Zur Frage der Verlängerung des Waffenstillstands für Bosnien äußerte sich gegenüber der taz der Vizepräsident der Bosnisch-Kroatischen Föderation, Ejup Ganić. Die Bosnier seien zu einem neuen Abkommen bereit, wenn der serbische Präsident Milošević Bosnien völkerrechtlich anerkenne. „Ich glaube“, so Ganić „daß Bosnien diesen Krieg überlebt und Bosnien als Ganzes existieren wird.“

Schon vor Ende des Waffenstillstandes hatten serbische Soldaten die von den UN- Blauhelmen kontrollierten Sammelpunkte für schwere Waffen in Sarajevo besetzt. Die bosnische Armee verminte eine Kaserne der französischen Blauhelme. Sie will so die Herausgabe eines UN-Soldaten erzwingen, dem sie vorwirft, einen ihrer Männer mit einer Panzerfaust getötet zu haben. Anzeichen dafür, daß die bosnische Armee nach Ende der Winterpause eine umfassende Offensive zur Befreiung Sarajevos unternehmen wird, gab es gestern jedoch noch nicht. Tagesthema auf Seite 3, Interview auf Seite 10

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