: „Abrüstung im Drogenkrieg“
Grüne plädieren bei einer Anhörung für eine Wende in der Drogenpolitik / Auch Richter für Entkriminalisierung / Der Bundesdrogenbeauftragte bleibt hingegen ein Hardliner ■ Aus Bonn Karin Link
Bonn (taz) – Für „eine Wende in der Drogenpolitik“ und eine „Abrüstung im Drogenkrieg“ plädiert die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen. In einer zu diesem Zweck einberufenen Anhörung forderte Fraktionssprecherin Kerstin Müller gestern eine Entkriminalisierung des Drogengebrauchs. Weiche Drogen wie Haschisch und Marihuana sollen mit ähnlichen Auflagen wie für Tabak und Alkohol legalisiert werden. Das heißt, sie sollen besteuert und gemäß dem Lebensmittelrecht überwacht werden. Werbung und der Verkauf an Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren ist untersagt. Für harte Drogen fordern die Bündnisgrünen eine ärztlich kontrollierte Abgabe unter staatlicher Aufsicht.
Nur so könnten, so die Argumentation der Bündnisgrünen, betroffene Drogenabhängige aus sozialem Elend geholt und die daraus resultierende Beschaffungskriminalität eingedämmt werden. „Die Anhörung heute ist für uns der Einstieg in die Debatte um eine neue Drogenpolitik“, so Müller. Mit diesen Vorschlägen sei „keineswegs die totale Freigabe“ von Drogen verbunden, betonte sie. Auch wer wolle, daß weniger Drogen konsumiert würden, müsse einsehen, daß die „drogenfreie Gesellschaft eine Illusion“ sei. Mit dem Verbot würde nicht der Rauschgiftkonsum geächtet, sondern Kranke kriminalisiert.
Den Vorwurf, durch die aktuelle Drogenpolitik würden Menschen kriminalisiert, wies der Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Eduard Lintner (CSU), zurück. Er hält es für eine „völlige Illusion“, zu glauben, ein effektiver Jugendschutz sei bei der Freigabe von weichen Drogen zu erreichen. „Das zeigt sich doch am Beispiel Alkohol“, meinte er. Es sei „eine perverse Logik“, zu glauben, die schlechten Erfahrungen, die mit Alkohol und Nikotin gemacht werden, würden sich bei der Freigabe von illegalen Drogen nicht wiederholen. Lintner hält es für einen nicht verantwortbaren Schritt, „Süchtige mit Suchtstoffen zu versorgen. Denn niemand ist unfreier als ein Süchtiger.“ Im übrigen befinde sich die Bundesregierung mit ihrer Drogenpolitik in einem internationalen Konsens. Länder wie die Niederlande und die Schweiz seien da eher die Ausnahme.
An der Drogenpolitik der Bundesregierung zeige sich, „wie durch staatliche Repression Kriminalität nicht verhindert, sondern produziert wird und gleichzeitig die sozialen Probleme der Drogenabhängigen verschärft werden“, hielt Müller dagegen. „Die staatliche Drogenpolitik erweist sich faktisch als ein einzigartiges Arbeitsbeschaffungsprogramm für organisierte Kriminalität.“ Deswegen müßten regionale Reformansätze, wie etwa in Frankfurt, wo Gesundheitsräume eingerichtet worden sind, „flächendeckend auf legale Füße gestellt werden“. Dazu sei nur eine kleine Änderung des Bundesbetäubungsmittelgesetzes notwendig, meinte die Juristin. „Bei allen Grenzen, die dieses Projekt aufweist, geht es hier schlicht um einen Beitrag zur Überlebenshilfe, denn: Hat nicht auch ein Fixer eine Anspruch auf Menschenwürde?“
Von dieser Forderung zeigte sich Lintner nicht angetan, er hält die Frankfurter Einrichtung für „gesetzwidrig“, denn „was sich die hessische Justiz anmaßt, ist dem Gesetzgeber vorbehalten“. Lintner will nicht ausschließen, daß durch eine legale Drogenabgabe „das eine oder andere Delikt ausfallen wird, aber bis dato fehlt noch jeder Nachweis, daß damit die Kriminalität signifikant gesenkt werden kann“.
Für eine Entkriminalisierung im Bereich von harten und weichen Drogen sprach sich auch der Lübecker Richter Wolfgang Neskowic aus. Denn „mit dem Knüppel des Strafrechts ist die Drogenproblematik nicht zu lösen“. Die Kriminalisierung der Drogenkonsumenten sei „ein künstliches Problem, das wir geschaffen haben, und das nicht notwendig ist“, kritisierte Neskowic. Das Elend von Drogenabhängigen sei nicht eine Folge ihres Rauschmittelkonsums, sondern Folge der Kriminalisierung. Deswegen müsse eine andere Drogenpolitik geschaffen werden. Neskowic sprach sich wie die Grünen für eine bundeseinheitliche Regelung einer Mindestgrenze aus, bis zu der der Besitz von weichen Drogen nicht mehr bestraft werden solle. Dann wüßten die Konsumenten genau, woran sie sind, und eine Kriminalisierung könne auch schon auf diese Art und Weise vermieden werden. Bisher gibt es zu dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom vorigen Jahr, wonach der Besitz von kleinen Mengen weicher Drogen nicht strafbar ist, noch keine einheitliche Regelung, was unter kleinen Mengen zu verstehen ist. Jedes Bundesland handelt dies unterschiedlich.
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