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Wenn die Pleite zum Image wird

Berlin will nicht mit dem Scheitern des Klimagipfels assoziiert werden, sondern Solarhauptstadt werden / Senat contra Alfredo, Al und Angela  ■ Von Christian Arns

Alfredo, Al und Angela haben dem Ruf Berlins während des UNO-Klimagipfels schwer geschadet: Al Gore kam entgegen aller Hoffnungen gar nicht erst, Alfredo Traber balancierte entgegen der Ankündigung nicht vom Fernsehturm zum Dom, sondern ließ seinen Sohn beinahe vom Drahtseil fallen, und Angela Merkel produzierte im Congress-Centrum erwartungsgemäß nur heiße Luft. Sie trug damit weiter zur Erwärmung der Erdatmosphäre bei.

Doch die Verantwortlichen der Stadt wollen sich mit dem wiedergewonnenen Pleiten-Image Berlins keineswegs zufriedengeben: „Solarhauptstadt“ ist der angestrebte Titel, so Holger Rogall, umweltpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus. Und seinen Teil hat er dazu schon einmal beigetragen, ist er sich sicher. Denn vor allem seiner interfraktionellen Wühlarbeit anläßlich der UNO-Konferenz ist es zu verdanken gewesen, daß die Große Koalition das Berliner Energiespargesetz in einem Punkt entscheidend verändert hat.

Wo immer ab sofort ein Haus gebaut wird, müssen 60 Prozent des Wassers durch Sonnenenergie gewärmt werden. Das heißt: Ohne Sonnenkollektoren auf dem Dach darf praktisch nicht mehr gebaut werden. Damit soll zumindest die ohnehin schon rentable Wärmegewinnung durch Sonnenlicht (Solarthermie) etabliert werden.

Vergleichbare Vorschläge der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gab es zwar schon, doch die wurden als oppositionelle Utopien abgebügelt. Nun schmücken sich Sozial- und Christdemokraten mit dem Beschluß, der bislang als bundesweit einzigartig gilt. Einen gelungenen Beitrag zum Recycling nannte es Manfred Kaspar, Mitarbeiter der Energieleitstelle bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz. In der Tat war jedoch lange angezweifelt worden, daß sich die umweltpolitischen Flügel innerhalb der Koalitionsparteien würden durchsetzen können. Überraschend gelang auch der Durchbruch bei der Stromgewinnung durch Sonnenlicht (Photovoltaik): Entgegen der lange geäußerten Überzeugung der Bewag-Führung wird Solarstrom, den Privatkunden ins Netz einspeisen, bis zu zehn Jahre lang mit 1 Mark 80 pro Kilowattstunde bezahlt. Voraussetzungen sind vor allem, daß diese Anlagen in den nächsten fünf Jahren errichtet und nicht bereits durch einen anderen Fonds gefördert werden. Detlef Loy von der Energieleitstelle optimistisch: „Die Solarenergie wird damit zu einem Konkurrenten für die hergebrachte fossile Energieversorgung.“

Die Vereinbarung zwischen Bewag und Senat knüpfe an vorherige Förderprogramme des Energieversorgers an, heuchelte Vorstandssprecher Dietmar Wienje Begeisterung. Doch die braucht die Bewag gar nicht zu haben, denn, so Paragraph 1 der Vereinbarung: „Die Finanzierung übernimmt das Land Berlin.“

Die Bewag darf fortan das, was sie den Sonnenanbetern zahlt, von der sogenannten Konzessionsabgabe abziehen. Das ist die Gebühr, die das mittlerweile privatisierte Energie-Unternehmen dem Land dafür zu zahlen hat, daß Rohre und Leitungen im öffentlichen Raum verlegt sind.

Daß die Fördermittel gleich von der Konzessionsabgabe abgezogen werden, wird die Umweltlobby im Abgeordnetenhaus freuen. Dort wird nämlich seit Monaten gestritten, ob die Hälfte der Abgabe benutzt werden darf, um umweltpolitische Projekte zu unterstützen. Einen entsprechenden Parlamentsbeschluß gibt es seit langem – nur leider haben die Politiker darüber gar nicht zu befinden. So taucht der Beschluß im Haushalt, der ebenfalls von den Abgeordneten verabschiedet wurde, auch gar nicht auf. Allerdings: Über das Modernisierungs- und Instandsetzungsprogramm der Bauverwaltung werden Solaranlagen vom Senat gefördert.

Weitere Informationen: Deutsche Gesellschaft für Sonnenenergie, Hirschberger Straße 2, 10317 Berlin, Telefon 557 81 91.

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