: Ohne Kopf in den Wahlkampf
■ Das Ziel: Augen schonen / Die CDU-Köpfe werden nicht mehr plakatiert
Im Kampf um die Mehrheiten bei der Wahl des Abgeordnetenhauses und der Bezirksversammlung am 22. Oktober gibt es die erste gute Nachricht: Die CDU will die Augen der Berliner schonen, indem sie keine Köpfe plakatiert. Der Haken dabei: Auch die Union wird die Stadt monatelang vollkleistern – statt Glatzen, Schnurrbärten und Dauerwellen sollen diesmal nur die Namen der Kandidaten zu sehen sein. Drei Millionen Mark läßt sich der Landesverband die ab September beginnende Klebekampagne kosten, von denen auch Zeitungen und Veranstaltungen finanziert werden sollen.
Mehr als jeder Dritte, der am 22. Oktober zur Wahl geht, soll dann sein Kreuz bei der CDU machen. Eberhard Diepgen müsse nämlich Regierender Bürgermeister bleiben und eine Regierungsbildung ohne die Union unmöglich sein, sagte am Samstag Bundessenator und CDU-Wahlkampfleiter Peter Radunski vor dem „1. Kandidatentreffen“ in der Urania. Der erprobte Polit- und Propagandaprofi wußte nach dem schlechten Abschneiden der Berliner CDU bei Europa- und Bundestagswahlen im vergangenen Jahr natürlich, was bevorsteht: „der schwerste Wahlkampf seit Jahrzehnten.“
Dabei ist nicht auszuschließen, daß die CDU im Wahlkampf von der SPD kaum zu unterscheiden sein wird. So wie die Roten versuchen, ihre Spitzenkandidatin Ingrid Stahmer als Frau mit sozialer Ader und Vereinigungstalent ins Feld zu führen, so wollen auch die Schwarzen Spitzenkandidat Diepgen als „Mann mit Herz und Verstand, der Berlin zusammenführt“ präsentieren. Themen wie Wohnen, Arbeiten und Sicherheit sollen in Fußgängerzonen und auf Veranstaltungen im Mittelpunkt stehen. Daß dieser kleine Unterschied für eine Profilierung nicht genügen könnte, kommentierte Radunski genervt.
Zumindest für Abwechslung werden die individuellen Slogans sorgen, die auf den Plakaten unter jedem Kandidaten stehen werden. Radunski hat frei nach dem Motto der Zigarettenindustrie „Ich rauche gerne“ vier Vorschläge ausgearbeitet wie „Ich freue mich auf die Zukunft“. In einer Spontanumfrage der taz konnte sich auf Anhieb kein einziger der über 100 anwesenden Kandidaten für die Optimistensprüche erwärmen.
Doch auch mit Alternativvorschlägen wie „Gisela Greiner – weil ich den Gruppenantrag für Diätenerhöhung unterstütze“, „Dieter Ernst – ich war bei Scientology“ oder „Dieter Hapel – weil die Autonomen am 1. Mai nur noch besoffen sind“ konnten sich die Betroffenen nicht anfreunden. „Mit Ironie in der Politik muß man sehr vorsichtig umgehen“, begründete etwa Ernst seine Zurückhaltung. Der Generalsekretär der CDU und Stadtrat wußte allerdings, wie er seine Chancen auf ein Mandat tatsächlich verbessern kann: Er will 20.000 Mark aus eigener Tasche investieren, damit für ihn die „Zukunft heute beginnt“ (Radunski-Slogan). Dirk Wildt
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