„Ein Tor in die Zukunft“

■ Staatsakt in Berlin mit Vertretern der Siegermächte / Festrede von Präsident Herzog

Berlin (taz) – Kriegsende – 50 Jahre danach. In London und Paris, in Moskau und Warschau feiern die Menschen den Jahrestag auf den Straßen. In Berlin gab es statt eines Volksfestes einen offiziellen Staatsakt. Zu diesem waren gestern abend die Repräsentanten der vier Siegermächte geladen: Großbritanniens Premierminister Major, der amerikanische Vizepräsident Gore, der russische Ministerpräsident Tschernomyrdin und Frankreichs Staatspräsident Mitterrand. Die Festrede hielt Bundespräsident Roman Herzog.

„Deutschland hatte den furchtbarsten Krieg entfesselt, den es bis dahin gegeben hatte“, begann Herzog, „und es erlebte nun die furchtbarste Niederlage, die man sich vorstellen konnte.“ Der Bundespräsident sparte nicht mit Superlativen des Schreckens. Von „den größten Vernichtungsaktionen, die menschliche Hirne je ersonnen hatten“, sprach er, von „einem Meer von Trümmern“ und „Strömen von Blut“. Er schonte nicht die Täter – „Die Deutschen wissen, daß viele ihrer Väter für den Holocaust verantwortlich waren“ – und vergaß auch nicht die besonderen Opfer der Menschen in Osteuropa: „Wir sind ihnen noch viel schuldig.“ Herzog beschwor „Frieden und Freiheit“, die gleichzeitig eine Verpflichtung seien, „anderen dabei zu helfen, daß sie in den Genuß vergleichbarer Entwicklungen gelangen“. Der 8. Mai 1945 sei „ein Tor in die Zukunft“ gewesen.

Auch Premier Major erinnerte daran, daß der Frieden von damals eine Verpflichtung für die Zukunft sei. Ministerpräsident Tschernomyrdin ging sogar noch weiter und sah den Jahrestag als Beginn des Aufbaus eines gesamteuropäischen Systems der Sicherheit und Stabilität: „Gebraucht wird eine neue Koalition für Frieden, Demokratie und Gedeihen.“