: Schwarze Magie, rote Socken
Das neuseeländische Boot Black Magic ging im Finale des America's Cup der Segler gegen Dennis Conners Young America mit 2:0 in Führung ■ Von Matti Lieske
Den meisten Neuseeländerinnen und Neuseeländern geht es zur Zeit ziemlich gut, und viele tragen dabei rote Socken. Rote Socken sind das Markenzeichen von Peter Blake, dem Chef jenes neuseeländischen Syndikats, das sich gerade anschickt, den America's Cup, die begehrteste Segeltrophäe der Welt zu gewinnen. 100.000 Paar jener bunten Fußwärmer, das Stück zu zehn Dollar, sind allein in den letzten Tagen verkauft worden.
Noch nie hat ein Boot aus dem segelsportwütigen Neuseeland den America's Cup gewonnen, was kein Wunder ist, denn in seiner 144jährigen Geschichte landete der Pokal nur ein einziges Mal woanders als in den USA: 1983 holte ihn John Bertrand nach Australien. Alle Anläufe der „Kiwis“ blieben vergebens, umso größer der Jubel, als Skipper Russell Coutts nun in der „best of nine“-Finalserie vor San Diego mit seiner „Black Magic I“ 2:0 in Führung ging. Noch viel schöner wird der fast schon zum Greifen nahe Sieg durch die Person des Gegners, handelt es sich doch um keinen anderen als Dennis Conner, Beelzebub des Segelns, den jeder Neuseeländer, sollte er ihm auf der Straße begegnen, auf der Stelle an den nächstbesten Mast nageln würde.
Seit 21 Jahren widmet sich Conner fast ausschließlich dem America's Cup, dreimal hat er ihn gewonnen, aber er war es auch, dem 1983 der Fauxpas mit Australien unterlief. Sein seglerisches Können ist unbestritten, und er stellte es auch in der diesjährigen Qualifikation der Titelverteidiger unter Beweis, als er mit dem eindeutig langsamsten der drei Boote das Wasser am Ende als Sieger verließ, wenn auch unter etwas obskuren Umständen. Nach einem Kielbruch eigentlich schon ausgeschieden, wurde er am grünen Tisch in die Finalrunde gehievt, und als er auch hier wieder vor dem Aus stand, griffen himmlische Heerscharen ein. Ein plötzlich einsetzender günstiger Wind pustete seine „Stars and Stripes“ an der klar führenden Frauencrew „Mighty Mary“ vorbei.
Wohl niemand freute sich über Conners Finaleinzug mehr als die Neuseeländer, die endlich Gelegenheit bekamen, dem 52jährigen all das heimzuzahlen, was er ihnen im Laufe seiner Karriere angetan hat. 1987 besiegte Conner das innovative Fiberglas-Boot der Kiwi- Crew, nicht ohne dieser Schummelei zu unterstellen, ein Jahr später, als die Neuseeländer glaubten, endlich ein wirklich unschlagbares Boot ins Rennen geschickt zu haben, schlug er ihnen mit seinem Katamaran ein Schnippchen. Zwischendurch provozierte er bei einer Pressekonferenz fast eine Schlägerei, als er Kiwi-Designer Bruce Farr als „komplette Niete“ bezeichnete, und schließlich schmähte er eine ganze Nation mit seiner Aussage, die Neuseeländer könnten froh sein, wenn sie nach San Diego kommen dürften. So kämen sie mal von den Millionen Schafen in ihrem Land weg.
„Wir lieben es, ihn zu hassen“, sagt Michael Fay, dessen Boote Conner dreimal unterlegen waren, und fügt hinzu: „Er ist ein Typ, den man sicher nicht zu Weihnachten einladen würde.“ In Kneipen kann man mit Darts nach einem Porträt von „Dirty Dennis“ werfen, taucht er im Fernsehen auf, wird Musik aus dem „Weißen Hai“ eingespielt, und auch als „Richard Nixon des Segelns“ wurde er schon bezeichnet. Da hilft es wenig, wenn Conners Team-Taktiker Tom Whidden dagegenhält, das Image seines Bosses sei lächerlich: „Er ist ein netter Kerl, extrem loyal zu denen, die loyal zu ihm sind.“ Obwohl sich Conner für das Finale die schnellere, in der Qualifikation knapp unterlegene „Young America“ unter den Nagel riß, gingen die Neuseeländer äußerst optimistisch in die Endrunde. Sie haben bei den Ausscheidungen von 38 Rennen nur eines verloren und kennen ihre beiden schnittigen Black-Magic- Yachten in- und auswendig, während Conners Crew kaum Zeit hatte, sich an die Young America zu gewöhnen.
„Sie wissen viel weniger darüber, was ihr Boot schnell macht“, sagt Doug Peterson vom Team New Zealand, wo man aber weiß, daß Conner nicht zu unterschätzen ist. „Er kann auf alle Superhirne Amerikas zählen“, meint Taktiker Brad Butterworth, „es wäre naiv zu glauben, daß sie nicht gut sind.“
Umso wertvoller die zwei Siege, die Black Magic vorlegte. „Es lag nicht am Boot, sie sind einfach besser gesegelt“, mußte Conner nach der ersten Schlappe zugeben, nach der gestrigen zweiten Niederlage ordnete er sofort ein zweistündiges Sondertraining an. „Unsere Zeit wird noch kommen“, prophezeit er grimmig, und auch Peter Blake warnt davor, „frühzeitig in Euphorie auszubrechen“.
In Neuseeland sind diese Worte allerdings in den Wind gesprochen. Zehntausende hatten die Straßen Aucklands gesäumt, als die Crew von 1987 nach ihrer Niederlage heimkehrte. Sollten in San Diego die fehlenden drei Siege gelingen, werden es wohl Millionen sein. Und alle in roten Socken.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen