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Erstes Urteil wegen Kinderporno-Besitz

■ Bremer Kaufmann zu 3.000 Mark verurteilt / Aber noch keine Ermittlungen gegen Hersteller

Seit dem 1. September 1993 ist der Besitz von Kinder-Pornos strafbar. Gerade mal drei Wochen später, am 21.9.93, stieß die Kripo bei der Durchsuchung eines Bremer Kellers auf einen Karton voller Video-Cassetten. Gestern stand dessen Besitzer, der 34jährige Kaufmann Michael P., vor Gericht und wurde als wahrscheinlich erster Bremer nach dem neuen Gesetz zu 3.000 Mark Geldstrafe verurteilt.

„Knaben im Alter von zehn bis zwölf Jahren, die vor der Kamera onanieren, bis es zum Samenerguß kommt“ habe die Staatsanwaltschaft auf zweien der beschlagnahmten Bänder ausgemacht, hieß es gestern in der Anklage. Dem Gericht blieb es allerdings erspart, sich selber ein Bild davon zu machen, denn P. zeigte sich in vollem Umfang geständig.

Die Kinderpornos habe er allerdings zum letzten Mal lange vor Inkrafttreten des Verbots in der Hand gehabt. „Die lagen in einem Umzugskarton, den ich ein halbes Jahr vorher im Keller abgestellt und dann vergessen hatte“, erklärte P. dem Gericht. Die Kiste war vom Hausmeister entdeckt worden. Der hatte Verdacht geschöpft, die Polizei informiert und damit die Hausdurchsuchung bei P. ausgelöst.

Die Kripo reagierte damals schnell, weil ihr der Kaufmann P. bereits einschlägig bekannt war. Denn seit 1990 hatte er in verschiedenen Kleinanzeigen-Blättchen des Bremer Raums mit eindeutigen Formulierungen für einen Porno-Versandhandel geworben. Bereits 1991 war er deswegen verhört und ermahnt worden, im Juni 1993 folgte dann ein Strafbefehl über 600 Mark. Doch schon im September des gleichen Jahres sammelten sich in seinem Bremer Postfach wieder die Bestellungen für Porno-Videos. Rund 1.400 Mark Einnahmen gingen P. damals durch die Lappen, weil die Staatsanwaltschaft den Postfach-Inhalt komplett beschlagnahmen ließ.

Der fortgesetzte illegale Porno-Handel wurde gestern mit dem Besitz der Kinderpornos zu einer einzigen Gesamtstrafe zusammengezogen. Weil P. sich inzwischen „völlig aus der Szene gelöst“ habe und die Taten ja auch schon „lange zurück“ lägen, hatte sein Anwalt mildernde Umstände und eine Geldstrafe von 1.000 Mark beantragt. Doch Amtsrichter Paul Kopmann folgte dem Plädoyer der Staatsanwaltschaft und setzte „auch aus generalpräventiven Gründen“ die Strafe auf 60 Tagessätze a 30 Mark fest. Als Höchststrafe steht je ein Jahr Haft auf den Besitz von Kinderpornos und den unerlaubten Handel mit Pornos.

Strafmildernd war gestern für den Richter neben dem Geständnis allerdings auch der Umstand, daß P.'s Kinderpornos nur drei Wochen nach Inkrafttreten des neuen Gesetzes gefunden worden waren: „Da hatte sich das Verbot vielleicht noch nicht so sehr herumgesprochen.“

Weit weniger Ehrgeiz als im Fall P. setzte die Kripo bislang offenbar darein, die Hersteller der in Bremen beschlagnahmten Kinderpornos dingfest zu machen. Denn obwohl P. bereits 1993 seine Bezugsquelle offenbart hatte, ist in diesem Zusammenhang bis jetzt nicht weiter ermittelt worden. Jedenfalls konnte Richter Kopmann gestern keinen Hinweis darauf in den Gerichtsakten entdecken. Stattdessen ließ er sich erneut den Namen der Lieferantin vom Angeklagten P. buchstabieren und murmelte: „Dem muß doch mal nachgegangen werden.“ Ase

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