: Fahrradtaxis auf dem Vormarsch
Bündnisgrüne setzt sich für Rikschataxistände in Mitte ein / Schon 1946 wurden in Berlin Velos zur Personenbeförderung genutzt / Fahrpreise werden mit dem Kunden ausgehandelt ■ Von Lars Klaaßen
Alternative Energien sind in aller Munde, doch von alternativen Verkehrsmitteln, für Leute die sich nicht gerne anstrengen, spricht kaum jemand. Seit einigen Wochen wird den Berlinern im Bezirk Mitte ein Service angeboten, der nicht nur ökologisch korrekt ist, sondern auch sehr bequem: Zwölf Fahrradtaxis stehen bereit, um Passanten durch die City zu chauffieren.
Die Idee, asiatische Rikschas statt Pkws im Taxidienst einzusetzen, kam Jens Grabner bereits im vorigen Sommer. Er begann als Einmannunternehmer. „Als einziger Rikschafahrer Berlins, der den Leuten seine Dienste anbot, wurde ich vor allem als Touristen-Attraktion betrachtet“, erinnert sich Grabner. Seit seine Firma Rikscha Mobil mit mehreren Fahrzeugen auf den Straßen präsent sei, werde die Idee des Öko-Taxis als alltägliches Verkehrsmittel ernster genommen, betont er. Immer öfter nehmen die Berliner den Service in Anspruch, anfangs waren vor allem Touristen interessiert, die Rundfahrten machen wollten.
Bei längeren Strecken zahlen die Fahrgäste rund 20 Mark pro Person und halbe Stunde. Auf Kurzstrecken liegt der Tarif bei etwa fünf Mark. „Damit“, betont der Rikscha-Mobil-Gründer, „sind die Räder gegenüber Pkws konkurrenzfähig.“ Stau ist für die Rikschas selten ein Problem, da sie auch in der Innenstadt viele Ausweichmöglichkeiten haben. Gerade die Strecke zwischen Alexanderplatz und Zoologischem Garten sei ideal, berichtet Grabner. Der Tiergarten ermöglicht den Fahrrädern zügige Fahrt durch idyllische Natur, während Autos gerade im Berufsverkehr in den verstopften Straßen steckenbleiben. Die Route zwischen der Ost- und der West-City ist das Haupteinsatzgebiet der Fahrzeuge. Touren nach Rudow und Spandau sind eher selten, aber auch schon dagewesen.
Gundolf Hans ist einer der Fahrer, die bei Rikscha Mobil jobben. Der Arbeitslose nutzt die Gelegenheit, sich nebenher etwas dazu zu verdienen – ganz legal, wie er anmerkt. Hans ist Rikschafahrer aus Überzeugung: „Die Arbeit macht Spaß und ist sinnvoll, auch wenn ich mir dabei keine goldene Nase verdiene.“ Die Fahrer, meist Studenten, die sich etwas nebenher verdienen, mieten die Rikschas für 25 Mark am Tag. Alles was sie darüber hinaus verdienen, geht in ihre eigene Tasche. Die Fahrpreise werden zwischen Chauffeur und Kunden persönlich ausgehandelt, durschnittlich werden die obengenannten Preise erhoben: „Ich gucke natürlich auch, wer mir da gegenübersteht“, berichtet Hans. „Wenn ich sehe, daß jemand nicht viel Geld hat, mache ich es auch schon mal billiger.“
An vier bis fünf Tagen in der Woche ist Hans unterwegs, meistens in der Zeit zwischen mittags und abends. Ob er fährt, entscheidet sich am Vorabend beim Wetterbericht. Rikschafahren ist ein Schönwetterjob. „Das Verdeck schützt die Fahrgäste auch vor Regen“, stellt Grabner zwar klar. Aber die Fahrer haben davon nicht viel und bleiben bei schlechtem Wetter lieber zu Hause. Zumal das Geschäft, Verdeck hin oder her, bei Sonnenschein ohnehin besser laufe, wie Hans berichtet. Da die Chauffeure nicht ständig im Einsatz sind, sucht Grabner noch nach weiteren Fahrern: „An die 30 Leute könnten hier noch gebraucht werden.“ Rikscha Mobil arbeitet eng mit der Fahrradstation in den Hackeschen Höfen zusammen: „Die Angebote passen sehr gut zueinander“, begründet Frank Gratz die Kooperation der beiden Unternehmen. Fahrradhandel, Vermietung und Besichtigungstouren sind das Betätigungsfeld der Fahrradstation. Grabner, der neben dem Taxiservice seine Rikschas auch vermietet und touristische Rundfahrten anbietet, kann sein Angebot also auch mit dem der Partner kombinieren.
Von der Zukunft der umweltschonenden Taxis ist auch Rita Keil überzeugt. Die Fraktionsvorsitzende der Bündnisgrünen in Mitte setzt sich dafür ein, daß den Rikschas gesonderte Stellplätze, ähnlich den Taxiständen zur Verfügung gestellt werden: „Die Sache ist es wert, unterstützt zu werden.“ Wo genau Rikschastandplätze errichtet werden können und wie hoch die Gebühren dafür sein werden, ist bislang noch offen. Die Genehmigung solcher Plätze wird vermutlich die gleiche Grundlage haben, wie die Standorte für Pommesbuden. „Die Rikschaplätze sollten möglichst gebührenfrei oder zumindest sehr günstig für die Nutzer angeboten werden“, hofft Keil.
Fahrradtaxis gibt es in Berlin jedoch nicht erst, seit das Auto umweltpolitisch in Verruf geraten ist: Schon 1946 gab es einen solchen Service in der Stadt – andere Verkehrsmitteln waren zu dieser Zeit rar. Helmut Baumgarten, Jahrgang 1915, der den Service damals ins Leben rief, erinnert sich: „Die Idee kam mir, als ich einen Bekannten mit einem Lastanhänger per Rad nach Hause brachte.“ Über ein Jahr lang fuhren 30 Velos mit eigenhändig umgebauten Anhängern durch die City. Der Fahrpreis betrug drei Mark pro Stunde. Die Hälfte davon konnte der Fahrer behalten. „Die Tätigkeit war aber vor allem deshalb so begehrt, weil die Leute bei mir auch Mittagessen bekamen“, weiß Baumgarten zu berichten.
Später, als es wirtschaftlich bergauf ging, stieg Baumgarten auf Lkws um und wurde Fuhrunternehmer. Fahrradtaxis wollte niemand mehr, als das Auto die Straße eroberte. „Heute geht es darum, eine Alternative zum Auto zu etablieren", begründet Grabner seine Unternehmung.
Abgesehen von der Überlegenheit des Fahrrads in den überfüllten Straßen der Großstädte schlage auch die günstige Umweltbilanz des Velos zu Buche. „So betrachtet“, wirbt Grabner, „ist die Rikscha das intelligenteste Verkehrsmittel, um bequem von A nach B zu kommen.“
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