: KünstlerInnen raus?
Raum für Radierwerkstatt soll in Kreuzberg gestrichen werden / Bezirk bietet dafür keine Alternativen an / Künstlerinnen ziehen deshalb vor Kulturausschuß ■ Von Anja Sieber
„Die Auflösung bedeutet das Ende. Dann müssen wir die Maschinen verkaufen.“ Erschöpft sitzt Christine Arweiler zwischen Druckwalze, Schleiftisch und den in ihre Radierungen vertieften KursteilnehmerInnen. Zweimal mußte die Künstlerin mit ihrer Radierwerkstatt schon umziehen. Jetzt kündigte ihr der Kreuzberger Bezirksrat zum dritten Mal den Raum.
Die Radierwerkstatt ist ein Stück Kreuzberger Kulturgeschichte. Aus ersten Radierkursen im Künstlerhaus Bethanien 1978 entstand die Idee, eine eigene Werkstatt aufzumachen, die von KursteilnehmerInnen mitfinanziert wird. Sie mieteten 1981 eine Fabriketage, stellten die aus eigenen Mitteln bezahlten Maschinen der Volkshochschule (VHS) zur Verfügung. „Eine in Berlin einmalige Einrichtung“, schwärmt Christin Günter, VHS-Fachbereichsleiterin für kulturelle Bildung. „Ohne die große Einsatzbereitschaft von Christine Arweiler und ihrem Kollegen Rainer Kind wäre es der VHS nicht möglich, Radierkurse anzubieten, da die Geräte zu teuer sind, und die Räume, in denen die Geräte stehen, nicht anderweitig genutzt werden können. Und das Interesse ist rege, weil hier Künstler mit Laien zusammenarbeiten.“
Um so größer war der Schock, als Bezirksstadtrat Dirk Jordan (Bündnisgrüne) nun den Raum in der Dessauer Straße ohne Alternative kündigte, obwohl Christine Arweiler nach den Strapazen zweier vorhergehender Umzüge mit ihm vereinbart hatte, daß es sich diesmal um eine dauerhafte Lösung handeln müsse: Wegen der zu kleinen Räume kürzten die beiden KünstlerInnen sogar den Tisch um einen Meter. „Wir möchten wenigstens noch bis Ende des nächsten Semesters bleiben, damit eine vernünftige Raumlösung gefunden werden kann“, fordert Christine Arweiler. Doch der Bezirksstadtrat stellt sich stur: Nach den Sommerferien soll die Werkstatt raus.
„Heute wird einfach alles weggekippt, als wär' das gar nichts“, beschwert sich Kunstamtsleiterin Christa Tebbe. Da sich die Bezirke gerade in einer Umstellungsphase befänden und mit gekürzten Pauschalen auskommen müßten, die sie selbst aufteilen, ohne wie früher Nachschläge vom Senat für Unvorhergesehenes beantragen zu können, sind die kulturellen Einrichtungen auf den guten Willen angewiesen. Schon die Schließung der kommunalen Galerie Franz Mehring war für sie ein schlimmer Moment. „Junge Künstler brauchen einen Start und sind auf Ausstellungserfahrungen und erste Rezensionen angewiesen – große Galerien verlangen vorhandenes Profil“, erklärt sie die Unangemessenheit dieser Einsparung.
Auch Brunhilde Enkemann aus dem Kulturausschuß möchte, daß die Konsequenzen der kulturpolitischen Entscheidungen besser abgewogen werden. Sie fordert, „daß das Bezirksamt Ersatz finden und den Umzug bezahlen soll“.
Am 18. Mai treten Rainer Kind und drei KursteilnehmerInnen mit ihren Forderungen vor den Kulturausschuß – und wenn der Bezirksrat weiterhin verkündet, daß er keine Räume zur Verfügung habe, können sie sich vielleicht an eine höhere Instanz wenden – zur Zeit wird gerade ein zentrales Landesschulamt für Berlin eingerichtet. Es könnte sein, daß dann sogar die Stelle des Volksbildungsrates unter den Tisch fällt.
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