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Nach Groß-Jerusalem mit Bagger

■ Die israelische Regierung sichert ihre Souveränität über den arabischen Ostteil der Stadt mit Stahl und Beton

Tel Aviv (taz) – Der Kampf um die Zukunft Jerusalems ist in vollem Gang. Zwar hatten in den Vorverhandlungen zu dem Gaza- Jericho-Abkommen zwischen Israel und der PLO die Israelis darauf bestanden, erst in der Endphase des Friedensprozesses über die Stadt zu reden. Doch statt den Status quo bis dahin unangetastet zu lassen, schaffen Israelis derzeit in und um Jerusalem vollendete Tatsachen. Seit Aushandlung des Abkommens haben Israelis Hunderte Quadratmeter Boden beschlagnahmt. Um Jerusalem entsteht ein weiter Gürtel jüdischer Siedlungen.

Diese Aktivitäten lassen Palästinenser befürchten, daß es in der Schlußphase des Friedensprozesses über Jerusalem nichts mehr zu verhandeln geben wird. Die palästinensische Selbstverwaltungsbehörde nahm die letzten Konfiszierungen zum Anlaß für eine Beschwerde bei der Arabischen Liga und dem UN-Sicherheitsrat.

Ungeachtet der Proteste hatte die israelische Regierung am Sonntag ihren letzten Konfiszierungsbeschluß erneut bekräftigt. Dabei geht es um ungefähr 50 Hektar Boden in den palästinensischen Vorstadtsiedlungen Beit Hanina und Beit Zafafa. Dort sollen etwa 1.200 Wohnungen für jüdische Siedler entstehen sowie Gebäude zur Erweiterung des Hauptquartiers der israelischen Polizei.

Bei der erneuten Abstimmung votierten am Sonntag drei Vertreter der linksliberalen Meretz-Fraktion in der Regierung gegen den Beschluß. Vier Minister der Arbeitspartei enthielten sich. Regierungssprecher wiesen darauf hin, daß bis zum Ende der gegenwärtigen Legislaturperiode der Knesset – also in den nächsten 18 Monaten – keine weiteren Böden in Jerusalem zum Bau von Siedlungen beschlagnahmt werden sollen. Wohl aber könne in der Zeit Boden für öffentliche Zwecke konfisziert werden, wie für den Bau von Straßen und öffentlichen Einrichtungen. Zudem beziehe sich die Einschränkung nur auf Jerusalem. In der Westbank könne weiter beschlagnahmt werden. Bauminister Benjamin Ben-Eliezer erklärte, daß Israel dank der bisherigen Konfiszierungen über Bodenreserven verfüge, um über 7.000 weitere jüdische Familien im „Raum Groß-Jerusalem“ anzusiedeln.

Nach dem Regierungsbeschluß vom Wochenende brachten zwei kleine arabische Oppositionsfraktionen einen Mißtrauensantrag gegen die Regierung ein. Die Gruppierungen hatten sich verpflichtet, die Regierungskoalition zu stützen, solange sie den Friedensprozeß aufrechterhält. Ohne ihre Unterstützung verfügt die Regierung in der Knesset mit 58 von 120 Sitzen über keine Mehrheit mehr.

Nach einer am Wochenende veröffentlichten Statistik der israelischen Zentrale für Menschenrechte, „B'tselem“, wurden in Jerusalem auf den seit 1967 beschlagnahmten arabischen Böden insgesamt 38.500 Wohnungen für die jüdische Bevölkerung gebaut. Seit der Annexion des arabischen Ostteils der Stadt, hätten die israelischen Regierungen systematisch eine neue demographische und geographische Wirklichkeit errichtet, damit die israelische Souveränität über Ost-Jerusalem nicht mehr in Frage gestellt werden könne. Amos Wollin

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