: Die brüllende Ampel von Harts Corner Von Ralf Sotscheck
Irgendein naher Verwandter eines hochrangigen Dubliner Politikers muß Eigentümer einer Fabrik für Verkehrsschilder sein, davon bin ich überzeugt. Seit neuestem ist Dublin die bestausgeschilderte Stadt Europas. Wo man hin will – oder auch nicht: Grüne Schilder mit weißer Schrift weisen den Weg. Wer aus dem nordirischen Derry auf der N 2 nach Dublin hineinfährt, wundert sich am Stadtrand über ein Hinweisschild nach Derry, das nach rechts zeigt. Nach zwanzig Metern weist ein weiteres Schild nach rechts, und wenn man ihm folgt, befindet man sich wieder auf der N 2 – diesmal in Richtung Derry. Will man die nordirischen Gäste so schnell loswerden?
Vor einer Baustelle auf dem kurzen Autobahnstück zum Flughafen verkündet ein Warnschild, daß sich die Fahrbahn demnächst auf eine Spur verengen werde. Deshalb ist überholen verboten, so verkündet eine Variante des internationalen Zeichens: Wegen Linksverkehrs fährt das schwarze Auto links, ein durchgestrichenes rotes Auto dagegen rechts. Darunter erklärt ein anderes Schild in Großbuchstaben: „No overtaking!“ Diese Erläuterung ist vermutlich für diejenigen, die sonst angenommen hätten, daß rote Autos von einem Pfeil durchbohrt werden.
Sehenswürdigkeiten kann man künftig nicht mehr übersehen. Selbst Dichter, die man früher davongejagt oder eingesperrt hat, haben jetzt eigene Schilder: Jede Stelle, an der sich James Joyce den Schuh zugebunden oder Brendan Behan sich übergeben hat, ist weiträumig angezeigt. Auch das leidige Parkplatzproblem in der Innenstadt hat man fast in den Griff bekommen: Elektronische Hinweistafeln rund um den Stadtkern weisen auf das nächste Parkhaus und geben sogar die Zahl der freien Plätze an. 1.500 leere Parkplätze am Stephen's Green abends um zehn sind nicht schlecht – bis sich herausstellt, daß das Parkhaus bereits um neun geschlossen hat. Davon war auf der Hinweistafel freilich keine Rede.
Mit den neuen Ampeln klappt es auch noch nicht so richtig. Im Gegensatz zu den Autoampeln, die wie in den meisten Ländern von Rot direkt auf Grün umspringen, haben die Fußgängerampeln jetzt eine Gelbphase dazwischengeschaltet. Sollen sich die FußgängerInnen schnell ein Startloch graben, bevor es Grün wird? Neben der Gelbphase hat die Stadtverwaltung der Fußgängerampel bei Harts Corner im Norden Dublins auch eine Stimme spendiert, die den jeweiligen Farbton der Ampel erläutert – für die AnwohnerInnen ein Alptraum, für Blinde jedoch ein großer Vorteil, zumal das Gebrüll aus dem Ampelkasten auch einen vorbeidonnernden Zwölftonner mühelos übertönt.
Den sehenden AutofahrerInnen hat man dagegen einen Streich gespielt: Die neuen Ampeln bei Harts Corner zeigen in die falsche Richtung – nämlich nach rechts in eine Einbahnstraße, aus der eigentlich kein Verkehr kommen dürfte. Die Ampel für den Verkehr von links ist nur aus dem Schlafzimmerfenster des gegenüberliegenden Eckhauses zu erkennen. So stehen die AutofahrerInnen in letzter Zeit mit heruntergekurbeltem Seitenfenster und gespitzten Ohren an der Ampel. Brüllt die Fußgängerampel, daß man gefälligst stehenbleiben soll, so können sie getrost den ersten Gang einlegen und losfahren.
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