Die Katze im Brotteig

■ Bremer Bäcker-Innung will nicht auf Zusatzstoffe im Brot verzichten / Dafür wollen die BäckerInnen freiwillig Zusatzstoffe auflisten und diese Listen auslegen

Seitliche Krumenrisse, Blasenbildung unter der Kruste und unelastische Krumen gehören der Vergangenheit an. Niemand wollte sie je haben, am allerwenigsten BäckerInnen. Diese „Brotfehler der schlimmsten Sorte“ waren ihnen ein Greuel.

Bäckermeister Johannes Pissarczyk und seine Kollegen vom Bäckerinnungs-Verband sind froh, daß sie nicht mehr mit diesen Geißeln zu kämpfen haben. Dank Hilfsstoffen. Die allerdings stören viele VerbraucherInnen, zumal sie auf losen Backwaren nicht angegeben sind. VerbraucherInnen kaufen die Katze im Brotteig. Das soll jetzt ein Ende haben. Alle BäckerInnen in Bremen sollen ab sofort eine Liste ihrer Produkte in den Läden auslegen. Darauf sollen die BäckerInnen den Weizen- oder Roggenmehlmehlanteil und alle sonstigen Stoffe in der Ware angeben: Ob Hefe oder Sauerteig, Wasser oder Milch, Eier oder Backmittelvormischung. Da die Vertriebsnummer einer industriellen Backmischung einer Kundin nicht weiterhilft, hat die Bäckerinnung das „ABC der Zutaten“ verfaßt.

Die geneigte LeserIn erfährt, daß Ascorbinsäure, Calciumcarbonat, Cystein und Diacetylweinsäureester (Dawe) dringend ins Brot gehören. „Das klingt verteufelt nach Synthetik“, geben die VerfasserInnen zu. Doch sie entwarnen sogleich bei jedem Zusatz. Ascorbinsäure sei nichts anderes als Vitamin-C, unentbehrlich für den menschlichen Organismus. Cystein gar komme im menschlichen Körper vor. „Zum Beispiel in den Haaren, in den Finger- und Fußnägeln und im Blut“. Aus ähnlichen Quellen, nämlich Schweineborsten, hat die Industrie früher den Backzusatz Cystein gewonnen, jetzt wird er rein synthetisch hergestellt. Dawe kämen zwar in der Natur nicht vor, „sind deshalb aber nicht schädlich“, heißt es in dem Brevier.

Diese und andere Stoffe kommen in den Teig, damit er elastischer wird, nicht klumpt oder rieselt. Da Brot längst nicht mehr von Hand gemacht wird, müssen „Teige maschinen-freundlich sein“. Und: „Die fertigen Backwaren erhalten ein optimales Volumen und eine feinere Porung.“ Brötchen werden größer, Krumen gleichmäßiger, Krusten bräuner.

Die Verbraucherzentralen fordern seit Jahren, daß die Hilfs- und Ersatzstoffe von nicht verpackten Backwaren angegeben werden. „Brot ist immer noch ein Grundnahrungsmittel“, sagt Irmgard Czarnecki, Geschäftsführerin der Bremer Verbraucherzentrale. Rund 81 Kilogramm Brot ißt jede Deutsche im Jahr. Und darin sind dreimal mehr Zusatzstoffe als vor 15 Jahren. Das könne nicht so weitergehen. Immerhin gebe es viele Menschen, die allergisch auf diese Stoffe reagierten.

Doch es geht auch anders. ÖkobäckerInnen brauchen lediglich Mehl, Wasser, Salz und Sauerteig für ihre Brote. „Naja, die haben aber auch nur einen Marktanteil von knapp einem Prozent“, winkt Bäckermeister Pissarczyk ab. Kostenbewußte Bäcker kämen ohne die Zusatzstoffe nicht aus.

Nicht so die Münchner Bäckerei von Ludwig Stocker. Marketingleiter Förster schätzt, daß die „Hofpfisterei“ im Großraum München einen Marktanteil von „über 20 Prozent“ habe. Und das nur mit Brotlaiben, die völlig frei von Zusatzstoffen sind. Seit Jahrzehnten gibt die Hofpfisterei auf jedem Laib Inhaltsstoffe, Backdatum und Gewicht auf einer papiernen Brotmarke an. „Unhygienisch und teuer“ findet das Pissarczyk. Aber der Erfolg der Münchner Ökobäcker gibt ihnen Recht: 25.000 Brote verkaufen sie täglich, alle aus reinem Natursauerteig. „Die Verbraucher wünschen Brot ohne Chemie“, sagt Friedbert Förster, Marktstudien hätten das gezeigt.

„Die freiwillige Deklaration ist deshalb auch nur ein kleiner Schritt in die richtige Richtung“, sagt Irmgard Czarnecki von der Bremer Verbraucher-Zentrale. ufo