■ SPD kuscht vor Militärs, Pazifisten streiten: Erst mal kein Deserteursdenkmal
Flensburg (taz) – Hatte die SPD im Flensburger Rathaus nicht gemerkt, was für einen Antrag sie da mitverfaßt hatte? Nur wenige Stunden vor der Abstimmung über die Errichtung eines Deserteursdenkmals zogen die Sozis Ende der vergangenen Woche den gemeinsam mit den Grünen eingereichten Antrag ihrerseits zurück. Ein Grund: der Aufschrei des örtlichen Militärs. Dabei war in dem Antrag nicht mal die Rede von Deserteuren aus der Bundeswehr gewesen, explizit ausgenommen wurden sie aber auch nicht. Anlaß für den Denkmalantrag waren eigentlich der 50. Jahrestag des Kriegsendes und die Kriege in Ex-Jugoslawien und Tschetschenien. Wörtlich: „Ohne Ansehen der Gründe trugen und tragen Soldaten, die für sich den Konflikt zwischen Eid und Kriegsbefehl durch aktive Verweigerung, nämlich Desertieren, gelöst haben, bis heute juristisch und in Teilen der öffentlichen Meinung den Makel der Ehrlosigkeit.“
Die Grünen machten keinen Hehl daraus, daß dies auch für Deserteure der Bundeswehr gelten könne. Für die Initiatoren des Denkmals, Friedensgruppen und die Regionalgruppe der Ärzte gegen den Atomkrieg (IPPNW), wird damit freilich die Diskussion in eine falsche Richtung gelenkt. „Uns geht es um Unrechtsstaaten“, so der IPPNW. Schließlich habe in der Bundesrepublik jeder das Recht, den Kriegsdienst zu verweigern.
Der Denkmalantrag war zum jetzigen Zeitpunkt gestellt worden, weil in Flensburg erst am 23. Mai 1945 die Nazi-Regierung des Hitlernachfolgers Großadmiral Dönitz verhaftet wurde.
Für den ranghöchsten Heeresoffizier in der Grenzstadt, Oberst Rolf-Jürgen Lützow, ist ein Mahnstein mit einer pauschalen Aussage für Deserteure eine Zumutung. Fahnenflucht sei eine Wehrstraftat: „Der Schietbütel, der aus Angst wegläuft, ist nicht zu würdigen.“ Dies gelte auch im Prinzip für die Nazidiktatur, jeder Einzelfall sei zu prüfen.
Daß Bundeswehrsoldaten ein anderes Bild von Deserteuren aus der NS-Zeit haben als die Zivilbevölkerung, belegt auch eine Umfrage von Professor Gerhard Paul, Historiker am Institut für Zeit- und Regionalgeschichte: 67 Prozent der befragten ehemaligen Zeitsoldaten beurteilten Deserteure als negativ, Begriffe wie „Feigling“ und „Verräter“ überwogen. Von den Gesamtbefragten dagegen sahen lediglich 15 Prozent die Fahnenflüchtigen negativ. Die Mehrzahl der Befragten sieht in ihnen „Widerständler“ (36 Prozent) oder sogar „Helden“ (10 Prozent).
Aber wieder mal hatte auch in Flensburg der Protest der Militärs Erfolg: Die Ratsmitglieder einigten sich darauf, eine Arbeitsgruppe zu bilden, mit dem Ziel, „die Opfer der NS-Gerichtsbarkeit zu ehren“. Ein Denkmal wird es so schnell in Flensburg nicht geben. Möglicher Hintergrund für den rücksichtsvollen Rückzug der SPD, so spekulieren KritikerInnen, könnte der Kampf der Kommunalpolitiker gegen die Pläne der Bonner Hardthöhe sein, 1.600 Soldaten aus der Stadt an der dänischen Grenze abzuziehen.
Überhaupt nicht verständlich findet dies Karl Otto Meyer, Vertreter der dänischen Minderheit im Kieler Landtag, selbst Deserteur im Zweiten Weltkrieg, und dann im Widerstand in Dänemark. „Das ist doch totaler Unsinn“, meinte Meyer. Es gehe nicht um einen Affront gegen die Bundeswehr, sondern darum, ein Zeichen gegen „Kadavargehorsamkeit“ zu setzen und den verurteilten Deserteuren, die noch heute als Kriminelle gelten, eine späte Würde zu verschaffen. Außerdem sollten damit diejenigen geehrt werden, die sich heutzutage durch ihre Flucht gegen ihre Unrechtssysteme zur Wehr setzten. Kersten Kampe
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