■ Das Portrait: Der Internationalist
Am Anfang stand die Revolte gegen die beengten, politisch rückwärts gewandten Verhältnisse der pfälzischen Heimat. Dann, mit dem Eintritt in den Berliner SDS, kamen marxistische Einsicht, Zorn, Parteinahme für die „Unterdrückten dieser Erde“. Jürgen Horlemann schrieb zusammen mit Peter Gäng und einer Arbeitsgruppe des SDS 1966 „Vietnam – Genesis eines Konflikts“, eine Studie über Vorgeschichte und Verlauf des amerikanischen Völkermords in Vietnam – kritische Wissenschaft gegen die etablierte, schweigende.
Aus der wirren, gegenüber den Einflüssen vielfältiger Strömungen der Subkultur offenen Situation der APO Ende der 60er Jahre zog Jürgen Horlemann den Schluß, nur eine Kaderpartei könne das Primat revolutionärer Politik retten. Viele linke Intellektuelle drängten damals „ins Proletariat“, wollten „dem Volke dienen“. Gegenseitige Abgrenzung und „ideologischer Kampf“ sorgten für ein entsprechend zahlreiches Angebot an marxistisch-leninistischen Organisationen, den „K-Gruppen“. Jürgen Horlemann gehörte zu den Gründern der KPD/AO, der späteren KPD und blieb bei ihr bis zur Auflösung im Frühjahr 1980.
Aber Jürgen Horlemann folgte nicht nur einer rasch versiegenden Modeströmung. Was damals viele sein wollten, war er wirklich: ein harter Kommunist. Er war verschlossen, zuverlässig, effektiv. Aber auch rücksichtslos gegen sich und andere, unduldsam, fest entschlossen, die „Generallinie“ zu verteidigen. Obwohl den Freuden des Lebens durchaus zugeneigt, verkörperte er doch den geradezu idealen Gegentypus zum antiautoritären, libertären Aktivisten, der das Bild der 68er-Revolte schließlich geprägt hat.
Den Völkern Ost- und Südostasiens gehörte das lebenslange Engagement Horlemanns. In der Auseinandersetzung zwischen Vietnam und Kamputschea zögerte er allerdings keinen Augenblick, Chinas Kommunisten zu folgen und die Roten Khmer zu unterstützen. Zu einer öffentlichen Reflexion über diese Entscheidung hat er sich leider nie entschließen können.
Jürgen Horlemann 1974 Foto: dpa
Die letzten 15 Jahre seines Lebens verbrachte Jürgen Horlemann mit dem Aufbau eines Verlages, der in großem Umfang Autoren der Dritten Welt publizierte. Er blieb Internationalist, allerdings ein sanftmütiger. Am 25. Mai dieses Jahres ist er nach langem schweren Leiden im 54sten Lebensjahr gestorben.
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