Leise raspeln die Killer am Holz

Borkenkäfer bedrohen die Nadelwälder in Norddeutschland / Förster streiten über die Bekämpfung: Die größte Katastrophe seit dem Zweiten Weltkrieg oder bloßes Aufräumen der Natur?  ■ Von Andreas Sentker

Tübingen (taz) – Sie tragen verheißungsvolle Namen wie „Großer Waldgärtner“, „Kupferstecher“ oder „Buchdrucker“. Doch ihr Gewerbe ist alles andere als konstruktiv. Wo sie auftreten, hinterlassen sie verheerende Spuren der Zerstörung und verursachen Millionenschäden. Die Rede ist von Borkenkäfern. Die Forstministerien von Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen beobachten eine Ausbreitung der Kerbtiere.

Während in den letzten Jahren Spinner und Nonnen, gefräßige Schmetterlingsraupen, dem Wald hungrig zu Leibe rückten, kündigt sich nun neues Unheil an. In den norddeutschen Fichtenwäldern droht nach Angabe der Ministerien die größte Borkenkäferplage seit Jahrzehnten. Im Gegensatz zu ihren tropischen Verwandten sind die europäischen Borkenkäfer auf bestimmte Bäume spezialisiert. Während der Große Waldgärtner Kiefernstämme bevorzugt, suchen Kupferstecher und Buchdrucker mit Vorliebe Fichtenstämme auf. Insgesamt 153 verschiedene Arten nagen an den Rinden europäischer Bäume. Die Killer zwischen Baum und Borke vermehren sich vor allem, nachdem Wirbelstürme und Orkane für unübersehbare Mengen von trockenem Bruchholz gesorgt haben. Wenn die Käfer dann keine umgestürzten Bäume mehr finden, stürzen sie sich auf den gesunden Bestand.

Den ersten Angriff wehren die Bäume ab, indem sie Harz ausscheiden. Werden sie jedoch wiederholt attackiert und durch die Trockenheit geschwächt, schnüren die Insekten ihrem Hausbaum den Saft ab. Die Käfermännchen fressen einen Hohlraum in die Borke. In dieser sogenannten Rammelkammer begattet das Männchen zumeist mehrere Weibchen. Die weiblichen Käfer treiben nun Muttergänge in das Rindengewebe und beginnen mit der Eiablage. Aus den Eiern schlüpfen gefräßige Larven, die nun eigene Gänge in die Rinde treiben. In Mecklenburg- Vorpommern wurden 1993 auf diese Weise 75.000 Festmeter Fichtenholz vernichtet, 1994 fielen schon 174.000 Festmeter den Käfern zum Opfer.

Die letzte große Borkenkäferkastastrophe hatte sich nach dem Krieg ereignet. Bomben und Granaten hatten damals für Bruchholz gesorgt, ein Kahlfraßparadies für die Käfer. Nun sind es die trockenen Sommer, die die Forstleute zum Schwitzen bringen.

Das Borkenkäfernotstandsgesetz aus dem Jahr 1947 erlaubte den Einsatz einer Mischung aus Kalk und Arsen. Noch Anfang der achtziger Jahre wurde das krebserregende Lindan gespritzt. Der Gifteinsatz ist umstritten. Während einige Forstexperten dem Schädling mit allen Mitteln den Garaus machen wollen, sehen andere die Übergriffe der Kerbtiere als natürliches Aufräumkommando an. Käferkatastrophen, hört man von ökologisch orientierten Forstfachleuten, seien nichts anderes als der Versuch der Natur, im Kampf gegen Fichtenmonokulturen wieder natürliche Zustände herzustellen.