piwik no script img

Lasset uns beten! Von Mathias Bröckers

Wenn der Papst angesichts von Krieg und Leid urbi et orbi zum Gebet auffordert, bleibt dem aufgeklärten Zuschauer meist nur ein Kopfschütteln. Sich angesichts des herrschenden Elends in der Welt auf das Murmeln von Gebeten zurückzuziehen, statt aktiv, praktisch und politisch Maßnahmen zur Linderung und Abschaffung dieses Elends zu ergreifen – diese Haltung scheint im günstigen Falle als weltferne Naivität, ansonsten aber, wo Empfängnisverhütung praktisch verboten ist und dann zum Gebet für hungernde Kinder aufgerufen wird, als blanker Zynismus. Und doch ist es so einfach nicht, scheinbar bigotten Betbrüdern und -schwestern moralisch einen Strick zu drehen, denn: Gebete sind wirksam. Ja, sie sind wahrscheinlich effektiver als alle weltlich-praktischen Methoden. – Um die Wirksamkeit von Gebeten zu messen, führte der Arzt Randolph Bird an einem Krankenhaus in San Francisco 1985 eine Studie durch. Von 393 Patienten, die an einer Verengung der Herzkranzgefäße litten, legte er Krankenblätter mit Name, Diagnose und Allgemeinzustand an – davon wurde die Hälfte an christliche Glaubensheiler in ganz Amerika verschickt, mit der Bitte, zehn Monate lang „täglich dafür zu beten, daß dieser Patient genese, von Komplikationen oder gar dem Tod verschont bleibe“.

Weder den Patienten noch Bird war bekannt, wen das Los getroffen hatte – beide Gruppen waren nach Durchschnittsalter und Schwere der Krankheit vergleichbar zusammengesetzt. Und siehe da, den Patienten, für die gebetet wurde, ging es deutlich besser: Nur bei dreien mußten Antibiotika eingesetzt werden (gegenüber 16 in der Kontrollgruppe), nur bei sechs der zusätzlich fernbehandelten Patienten kam es zu einem Lungenödem (gegenüber 18), nur bei dreien (gegenüber 12) setzte die Herz-Lungen-Tätigkeit kurzzeitig aus, und während 12 Patienten der Kontrollgruppe künstlich beatmet wurden, kam die Gruppe der ins Gebet Eingeschlossenen völlig ohne Atemhilfe aus. (Bild der Wissenschaft 6/94)

Daß so etwas wie die Kraft des Gebets, eine Fernwirkung positiver, mitfühlender Gedanken, existiert, erbrachte auch eine Studie in England, die 130 Tests und Experimente zu „geistigem Heilen“, darunter auch Birds Experiment, auswertete und zu dem Schluß kam, daß etwa die Hälfte davon auf „paranormale“ Wirkungen deutet. Für die Zitadelle der materialistischen Wissenschaft ist dies freilich kein Grund, ihre Dogmen in Frage zu stellen. Im Gegenteil: Als vor einigen Jahren der Biologe Rupert Sheldrake seine Untersuchung über „morphische Resonanz“, die fernwirksame Informationsübertragung unter den Angehörigen einer Spezies, veröffentlichte, empfahl das meinungsführende Fachblatt Nature ihn „als besten Kandidaten für eine Bücherverbrennung“. Und ein Haufen fundamentalistischer „Skeptiker“ wird seitdem nicht müde, Thesen wie die von Sheldrake als New-Age-Humbug abzutun und vor der Wiederkehr irrationalen Aberglaubens zu warnen. Nach den neueren Befunden in Sachen Gebet allerdings hat als Irrationalist und Abergläubischer künftig zu gelten, wer die noch unerklärte, aber faktische Wirkung des Betens leugnet.

Buddha, Jesus, Mohammed und John Lennon hatten recht: All We Need Is Love.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen