: Die Walparty von Dublin
Bei der Internationalen Walfangkommission geht es auch dieses Jahr wieder um die norwegischen Jäger / Proteste von Umweltschützern, aber auch Warnung vor Kulturimperialismus ■ Aus Dublin Ralf Sotscheck
Dublin steht seit dem Wochenende im Zeichen der Wale. In der Innenstadt fanden verschiedene „Walparties“ statt, eine Theatergruppe führte das Stück „Moby Dick“ auf, und Greenpeace war Gastgeber für eine Sondervorstellung von Heathcote Williams' Epos „Die Walnation“.
Grund für das Interesse an den Meeressäugern ist die Tagung der Internationalen Walfangkommission, die gestern im Dubliner Schloß eröffnet wurde. Daß die Veranstaltung auf der Grünen Insel stattfindet, hat seine Berechtigung: Irland hat den kommerziellen Walfang bereits 1928 aufgegeben, und 1991 erklärte die damalige Regierung die irischen Hoheitsgewässer zu „Schutzgebieten für Wale und Delphine“.
Bei der Tagung geht es vor allem um die Haltung der norwegischen Regierung, die das internationale Walfangverbot bisher ignoriert hat. Im letzten Jahr gab sie 301 Wale zum Abschuß frei, in diesem Jahr 232. Es gebe reichlich Minkwale, rechtfertigte man die Entscheidung, und die Begrenzung ihrer Zahl sei für Norwegens Fischereiwirtschaft unerläßlich.
Am Sonntag demonstrierten Hunderte von Menschen vor der norwegischen Botschaft in Dublin gegen den Beschluß, die Walfangsaison zu eröffnen, ohne die Dubliner Konferenz in dieser Woche abzuwarten. Die Regierung in Oslo hatte bisher bei Kritik stets Zahlen aus dem Jahr 1989 vorgelegt, wonach 86.700 Minkwale im Nordostatlantik lebten. Diese von norwegischen WissenschaftlerInnen ermittelte Zahl wurde vergangenes Jahr in Zweifel gezogen, als ein Mitglied der Walkommission nur 57.300 Exemplare kalkulierte.
Der neue Bericht des Wissenschaftsausschusses, der gestern vorgelegt wurde, enthält keine neuen Erkenntnisse über die Zahl der Minkwale. Die norwegische Regierung hat jedoch eingeräumt, daß die sechs Jahre alten Berechnungen auf wackligen Füßen stünden. Deshalb hat man eine neue Zählung angesetzt, die nach der diesjährigen „Ernte“, wie der Walfang in Fachkreisen heißt, stattfinden soll. Ob der Zahlenstreit dadurch beigelegt werden kann, ist zweifelhaft: Viele Experten meinen, daß man Wale überhaupt nicht zählen könne, und bei Schätzungen spielten politische Erwägungen die Hauptrolle.
Der irische Kultusminister Michael D. Higgins, der die Tagung eröffnete, sagte: „Es ist falsch, anderen unsere kulturellen Werte aufzuzwingen.“ Der Meeresbiologe Simon Berrow von der „Irischen Wal- und Delphingruppe“ sprach sich ebenfalls gegen den „Kulturimperialismus“ einiger Umweltschützer aus. Entscheidungen über den kommerziellen Walfang müßten auf wissenschaftlichen Erkenntnissen und nicht auf moralischer Empörung basieren. Norwegische Umweltorganisationen halten die Debatte um den Walfang ohnehin für übertrieben. „Wenn sich Großverschmutzer wie die USA gegen den Walfang aussprechen, ist das ein billiges Umweltalibi“, sagte Lars Haltbrekken von „Natur und Jugend“.
Simon Berrow stellte gestern in einem Bericht Alternativen zum Walfang vor: Der „Waltourismus“ – organisierte Reisen zur Beobachtung der Tiere – bringe weltweit 700 Millionen Mark im Jahr ein. „In vielen Ländern setzt sich langsam die Erkenntnis durch, „daß lebende Wale wertvoller sind als tote“, so Berrow.
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