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Wettbewerb belebt die Konkursmasse

Jürgen Möllemann kandidiert für den FDP-Parteivorsitz, doch die richtungsentscheidende Auseinandersetzung wird um Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger geführt  ■ Aus Bonn Karin Nink

„Alles neu macht der Mai“, dachte sich Jürgen Möllemann und gab gestern hochoffiziell bekannt, daß er auf dem Mainzer Parteitag der FDP gegen Wolfgang Gerhardt um den Bundesvorsitz kandidieren werde. Gerhardt und andere Liberale hat diese Ankündigung nicht sonderlich überrascht, schließlich hat der Lehrer und Bundesminister a.D. Möllemann in den vergangenen Tagen sein Vorhaben wohl inszeniert und scheibchenweise der Öffentlichkeit mitgeteilt. Nun hat er „nach gründlichem Abwägen von Pro und Contra“ seinen Hut in den Ring geworfen und verspricht, als Vorsitzender für eine „kantiges Profil“ der Partei zu arbeiten.

Was sich dahinter verbergen soll, wollte der ansonsten so gesprächige Westfale nicht verraten. Das sollen in einer Grundsatzrede zunächst einmal die Delegierten in Mainz erfahren. Nur soviel: Der über Einkaufschips gestolperte Ex-Minister will, daß alles anders wird: „Eine farbigere FDP“ soll die „Lagertheorie ablegen und die Freiheit zur Koalition mit allen demokratischen Parteien wahren“. Der Standort der Liberalen in Sachfragen müsse unabhängig von vorhandenen oder möglichen Koalitionen getroffen werden, ergänzte er. Doch statt ein konkretes Konzept vorzustellen, zitierte er den von ihm und dem glücklosen NRW-Liberalen Achim Rohde verfaßten „Neuen Aufbruch“, ein Papier von 1994, und sparte nicht mit Kritik an der derzeitigen FDP- Führungsriege mit Kinkel. Diese sei für die „lebensbedrohliche Situation“ der Partei verantwortlich, habe aber „das Krisenmanagement nicht in Angriff genommen“. Auch die Frage, wer außer dem früheren Landesvorsitzenden von Schleswig-Holstein, Wolfgang Kubicki, und Achim Rohde ihn noch unterstützen werde, ließ Möllemann offen. Schließlich wolle er nicht „mit geliehener Autorität auftreten“. Groß scheint die Zahl seiner Anhänger nicht zu sein. „Dieser Auftritt hat nicht einmal mehr Unterhaltungswert“, kommentierte ein Mitglied der Liberalen Möllemanns Kandidatur, und FDP-Generalsekretär Westerwelle quittierte sie ironisch lächelnd: „Wettbewerb belebt das Geschäft.“

Während Möllemann noch um Unterstützung buhlen muß, kann sein Gegenkandidat Wolfgang Gerhardt sowohl mit der Unterstützung der Wirtschaftsliberalen als auch der Nationalliberalen um den ehemaligen Generalbundesanwalt von Stahl rechnen. Ob er auch die Zustimmung der Linksliberalen um den „Freiburger Kreis“ erhalten wird, hängt nicht zuletzt davon ab, wie die Partei in Mainz mit ihrer Bundesjustizministerin umgehen wird. Denn trotz des beschwörenden Aufrufs Kinkels zur Parteidisziplin wurde in den vergangenen Tagen immer wieder laut über eine Neubesetzung des Wirtschafts- und des Justizressorts nachgedacht.

Während Bundeswirtschaftsminister Rexrodt nicht zuletzt angesichts der im Herbst anstehenden Berliner Wahlen noch mit einer gewissen Rückendeckung in der Partei rechnen kann, sehen viele konservative FDPler in dem jetzigen Chaos die Chance, sich der ungeliebten Ministerin Leutheusser- Schnarrenberger zu entledigen. Denn deren Haltung zu vielen Fragen ist nicht nur den Nationalliberalen in der FDP, sondern auch Konservativen wie Fraktionschef Solms viel zu liberal. Kampflos will die 43jährige das Feld aber nicht räumen. Sie plant, in Mainz strittige Positionen wie zum Großen Lauschangriff und zur doppelten Staatsangehörigkeit zur Diskussion und zur Abstimmung zu stellen und vom Ergebnis ihre weitere politische Zukunft abhängig zu machen. Offensichtlich ist sie nicht mehr bereit, weiterhin das liberale Feigenblatt für eine Partei zu spielen, die ihre Rechtspolitik nicht eindeutig unterstützt.

Falls Leutheusser-Schnarrenberger nicht den gewünschten Rückhalt findet und zurücktritt, fürchten ihre Parteifreunde vom „Freiburger Kreis“ eine „große Resignation der Linksliberalen“.

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