: Kohl hat wieder Spaß an der Politik
Kanzler würdigt rot-grüne Modellregierung in Düsseldorf als Aufputschmittel und eröffnet den Bundestagswahlkampf 1998 / Keine Auskunft über erneute Kanzlerkandidatur ■ Aus Bonn Hans Monath
Glaubt man Helmut Kohl, dann haben die Wählerinnen und Wähler in Bremen und Nordrhein- Westfalen ihm mit ihrer Stimmabgabe am 14. Mai ein politisches Aufputschmittel serviert: „Diese Auseinandersetzung mit Rot- Grün macht richtig Spaß“, sagte ein sichtlich motivierter Kanzler gestern. Der Grund: Mit ihrer Bereitschaft zur Koalition mit den Bündnisgrünen in Nordrhein- Westfalen bietet die SPD dem bürgerlichen Lager neue Angriffsflächen, die Kohl in den kommenden Jahren gerne nutzen will.
In Übereinstimmung mit den Strategen der Grünen betrachtet der Bundeskanzler eine rot-grüne Regierung in Düsseldorf als „Koalition mit bundesweitem Modellcharakter“. Der Unterschied liegt in der Bewertung: Die Koalition, so sie zustande komme, werde „ein Modell dafür werden, wie die Bundesrepublik nicht sein darf“. Ganz schlimm werde es im Norden: „Eine rot-grüne Koalition in Bremen wird die Stadt in kurzer Zeit an den Rand des Ruins führen.“
Wie die Grünen glaubt der Kanzler, daß Düsseldorf die Vorentscheidung für einen Machtwechsel in Bonn bringen wird: „Dort wird der Bundestagswahlkampf für 1998 eingeläutet.“
Den will der CDU-Chef mit sauber sortierten Lagern führen und gewinnen. Dazu wertete er gestern die Bündnisgrünen erheblich auf und stellte die Sozialdemokraten als unzuverlässige und vom Gestaltungswillen der Grünen abhängige Kraft dar: „Der Prozeß in Nordrhein-Westfalen läuft zu Lasten der SPD – ein Vorgang, den Sie jeden Tag im Bundestag beobachten können.“
Den Sozialdemokraten hielt Helmut Kohl vor, sie hätten jeden Versuch aufgegeben, aus eigener Kraft in Bonn an die Regierung zu kommen, und bauten nur noch auf eine Koalition mit den Grünen. Von der eigenen Partei erwartet der CDU-Vorsitzende, daß sie in den von ihm skizzierten Lagerwahlkampf „voll einsteigt“.
Jede Auskunft schuldig blieb er auf die Frage, ob er selbst im Jahr 1998 noch einmal als Kanzlerkandidat antreten werde. Vor der Bundestagswahl hatte er sich festgelegt und die laufende Legislaturperiode als seine letzte bezeichnet. Unionspolitiker haben ihren Chef in den vergangenen Tagen öffentlich aufgefordert, weiterzumachen. Der aber ziert sich noch. Kohl gestern: „Sie können mich stundenlang fragen, Sie kriegen keine Antwort.“
Anders als kürzlich vor der eigenen Fraktion, wo er die Möglichkeit einer absoluten Mehrheit der Union 1998 als realistische Option bezeichnet hatte, bescheinigte Kohl gestern dem dahinsiechenden Koalitionspartner FDP beste Überlebenschancen für die nächsten Bonner Wahlen. Darauf würde der Kanzler mit Journalisten sogar wetten: „zehn Flaschen erstklassigen Weines aus der Pfalz, mindestens Auslese“. Als Gegengebot verlangte er die Bereitschaft, im Falle eines FDP-Erfolges 1998 eine Erklärung ins jeweilige Blatt zu rücken: „Ich gestehe, ich habe mich einmal mehr geirrt.“
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