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Hosenrollen

■ „Von beiden Seiten aus gesehen“ beleuchtet Frauenrollen beim Theater- Festival in der Shakespeare Company

„Shakespeare glänzt ja nicht gerade mit Frauenrollen“, erläutert Renate Heitmann von der der Shakespeare Company die mager Textlage für Schauspielerinnnen beim englischen Hausautor. Jetzt hat die elisabethanische Ignoranz gegenüber den weiblichen Bühnenrollen zum Gegenangriff geführt: Ab heute gibt's eine Woche lang ausschließlich Frauen auf der Bühne zu sehen. „Von beiden Seiten aus gesehen“, das Theaterfestival der Bremer Shakespeare Company, hält der Männerwelt den Spiegel vor und schaut noch einmal selbst hinein. In sechs Produktionen präsentiert es Gastspiele von renommierten Künstlerinnen aus ganz Deutschland. Barbara Nüsse aus Hamburg, Nikola Weisse aus Basel, Dagmar Papula aus Bremen und vom Theaterhof Priessenthal Marlen Breitinger und Monika Kroymann.

„Hier in der Company haben die Frauen den Mangel an wirklich interessanten Frauenrollen schon lange als Freiraum aufgefaßt. Dagmar Papulas Paula Becker-Modersohn Abend ist so entstanden und läuft seit elf Jahren erfolgreich.“ Aber dann habe man sich umgesehen und festgestellt, daß ähnliche Programme auch anderen Orts entstanden waren.

So entstand die Idee zum Bremer Frauentheaterfestival in der kommenden Woche. Ob der Termin, parallel zu Bremens eigenem Kultur- und Freßfestival Breminale nicht ungünstig sei? Renate Heitman erläutert die Hintergründe.“Wir wollten erst kooperieren. Sind auf die Breminalemacher zugegangen und haben unser Programm vorgestellt. Aber das war denen zu intellektuell.“ Breminale-Manager Manfred Fleckenstein fand die Kooperation nicht attraktiv: „Die Shakespeare Company wäre dann nur mit in unserem Programm vertreten gewesen, so stelle ich mit Kooperation nicht vor.“ Darüber hinaus gäbe es wenig Verbindendes. So geht frau im Theater ihrer eigenen Wege und hofft, daß neben den treuen Fans des Hauses manch neugierige BesucherInnen den Weg in den Zuschauerraum finden. Und da gibt es genügend zu entdecken. Die unterschiedlichsten Biographien sind aufgespürt worden in den verschiedensten Jahrhunderten und werden von denkbar gegensätzlichen Perspektiven aus beleuchtet: von der Forscherin Sybilla Merian im 16. Jahrhundert und vom Kranführer Max, von James Joyces „Molly Bloom“ und einem marokkanischen Jungen.

Das Motto „Von beiden Seiten aus gesehen“ verbindet die Soloprogramme des Festivals. Am deutlichsten wird es in Stücken, in denen die Schauspielerinen bewußt die männliche Haltung einnehmen. Vielleicht ist so dem männlichen Blick aufs weibliche Geschlecht beizukommen. Wie sieht die Welt aus, wenn frau einen Mann darstellt, also in einer „Hosenrolle“ stecke, wie das die Theaterleute nennen.

Die Gastspielreihe beginnt gleich mit einer solchen Inszenierung. „Das letzte Tor“ von und mit Nikola Weisse nennt sich ein Spiel für eine Frau und drei marokkanische Musiker. Hier wird dem marokkanischen Vater als sechstes Kind schon wieder eine Tochter geboren, das ist zuviel. Er erklärt sie kurzerhand zum „Sohn“. So wird aus Nikola Weisse ein Mann und dann im Laufe des Abends wieder eine Frau. In der Verwandlung steckt die Chance zur Erkenntnis. Was das denn nun ist, das typische Weibliche?

Einen ähnlich aufschlußreichen Blick auf die Welt wagt noch Monika Kroymann in „Jacke wie Hose“ (am 4. 6.) von Manfred Karge als hosenträgerbewehrter Kranführer Max. Diese auf den ersten Blick wahrlich nicht attraktive Rolle für eine Schauspieleren ist dafür um so aufschlußreicher. Schließlich erlebt sie als Kranführer am Arbeitsplatz ihres Mannes die brutale Entfremdung der männlich dominierten Arbeitswelt. Eine Erfahrung mit einem hohen Preis: der Zerstörung der Weiblichkeit.

Eine gänzlich andere Erfahrung teilt Barbara Nüsse mit, wenn sie den berühmten Monolog der Molly Bloom spricht. Ein genialer sprachlicher Brocken, der in acht Sätzen und 2500 Wörtern nur von einem schwärmt, der weiblichen Lust.

Bei „Von beiden Seiten aus gesehen“ sind die Einsichten so unterschiedlich, wie manche Rollen gegensätzlich sind, und wer genauer in den Spiegel hineinschaut wird neben den beiden Spiegelbildern gar noch ein drittes entdecken, das eigene.

Susanne Raubold

„Von beiden Seiten ausgesehen“ läuft bis zum 5.Juni im Theater am Leibnizplatz, immer um 19.30, am 5. zusätzlich 11.00

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