■ Urdrüs wahre Kolumne: Zum Beten aufs Klo
Herumgesprochenhat sich die Geschäftsaufgabe des wackeren Öko-Schlachters Matthias Groth in Bremen bis hin zu einem grundanständigen Fleischermeister aus dem Nienburgischen, der zur Zeit auf den Wochenmärkten passend zum Spargel den guten Schweineschinken anbietet und im Gespräch mit dem Schreiber dieser Zeilen bekennt: „Bei den Gemüseterroristen hätte ich längst zum Bolzenschußgerät gegriffen.“ Da das darmwindige Veganergesindel im heißen Verlangen nach echtem Märtyrertum vermutlich selbst diese Gefahr nicht scheut, setzen wir auf die Drohung noch einen drauf und werden im heutigen Programm des Kabaretts der Literarischen Gewalttägigkeiten in der GaDeWe eine extralange Pause einlegen, damit alle BesucherInnen Gelegenheit haben, im Bratwurst-Glöckl um die Ecke eine Protest-Krakauer zu verzehren.
In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung bekennt die Gemeinnützige Nachlaßstiftung in memoriam Rainer Werner Fassbinder am 31. Mai: „Er wäre heute 50 Jahre alt geworden. Er fehlt uns.“ Dies nehmen wir einer Nachlaßstiftung nun überhaupt nicht ab, denn würde er nicht fehlen, so gäbe es doch keine Nachlaßstiftung in memoriam. Diese kleine Beckmesserei muß nun schon mal sein, um der formalen Logik die Ehre zu geben.
Wenig gelungen finde ich die Werbeaufschrift eines Kombifahrzeugs, das unter dem Slogan „Wir machen Sie mobil“ die Leistung eines Pflegedienstes mit den Worten anpreist: „Mit eigener Rampe für Rollstuhlfahrer!“ Soweit isses also schon wieder. Eigene Rampe. Tsstss...
Im Wort zum Sonntag Rogate wirft in niedersächsischen Heimatzeitungen der Pastor Werner Stecher schon in der Schlagzeile die Frage auf: „Kann man auf dem Klo beten?“ Die Antwort aber findet sich flugs in der strapazierfähigen Bergpredigt, wo es da heißt: „Wenn du betest, geh in dein Kämmerlein und schließ die Tür hinter dir zu. Und dein Vater, der in das Verborgene sieht, wird es dir vergelten öffentlich.“ Hinterher bitte trotzdem nicht vergessen, die Spülung zu betätigen!
Ausgerechnet im Gerontopsychologischen Altenpflegeheim zu Hannover findet am 6. Juni ein Power-Seminar des Troubadour-Märchenzentrums statt. „Durch praktische Anwendung verschiedener Ur-Märchenstufen gelingt es dem Menschen, im Alltag sein Urvertrauen wieder zu stärken, den größten Engpaß in seiner momentanen Lebenssituation zu finden und zu bewältigen... Sie werden dadurch alles verändern können und die Kontrolle über Ihren Körper, Ihre Gefühle und Ihre Gedanken bekommen.“ Als erfahrener Märchenonkel aber weiß man, daß hier von des Kaisers neuen Kleidern erzählt wird: Der Exhibitionist im Gerontopsychologischen Altersheim schwenkt den Power-Dödel, und es ist noch nicht geklärt, ob da ein unschuldig Kindlein sitzt und feststellt, daß da garnix dran ist...
Vergessen Sie nicht, daß heute der 2. Juni 1995 ist. Mehr Bewegung, bitteschön!
Ulrich Reineking
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