piwik no script img

Im Namen der Hose

■ Warum spielen Frauen Männerrollen? Ein Gespräch mit der Schauspielerin Monika Kroymann, zu Gast beim Frauen-Theaterfestival in Bremen

Jeanne d'Arc, die prominenteste hosentragende Frau des christlichen Abendlandes, wurde als Häretikerin dem Flammentod ausgeliefert, denn das 5. Buch Mose warnt vor dem Greuel des Herrn, wenn Frauen Männertracht tragen und umgekehrt. Auch im Theater ist es heute noch einen Sonderhinweis wert, wenn Frauen auf der Bühne in „Hosenrollen“ schlüpfen. Ist die Hosen- also Männerrolle für Schauspielerinnen immer noch Emanzipationssymbol? Ein Gespräch mit Monika Kroymann, Jg. 1935, freie Schaupielerin, Autorin, Regisseurin vom Theaterhof Priessenthal. Sie spielt morgen beim Theaterfestival der Shakespeare Company in dem Stück „Jacke wie Hose“ die Witwe Ella Gericke, die in den 30ern in die Hosen ihres Mannes stieg, um nicht Hungers zu sterben.

taz: Rebellieren Frauen, wenn sie Hosenrollen spielen?

Monika Kroymann: Am normalen Stadttheater bestimmt. Weil das noch von Männern dominiert wird. Die leitenden Positionen sind hauptsächlich von Männern besetzt, und die bestimmen dann auch, was die Frauen für Rollen spielen. Und weil die gespielten Stücke auch oft diese Männerdominanz zum Inhalt haben, gibt es da keine Auseinandersetzung. Ich hatte mit dieser Hierarchie schon große Probleme.

Das ist vorbei?

Seit 1979, seit ich zum Theaterhof Priessenthal ging, vom Staatstheater ins Zelt. Ich mache nur noch das an Stücken, was ich machen will und spiele nur das, was ich selber entwickelt habe oder mit anderen zusammen, oder eben interessante fertige Sachen. Ich werde ja auch älter und für Frauen ab 40 ist im traditionellen Repertoire kaum mehr etwas vorhanden, zumindest nichts Aufregendes.

Frauen müssen sich also ihre Rollen selbst schaffen und nehmen.

Ja.

Wir stecken gerade mitten in einem Plädoyer für das „privilegierte, freie Theaterdasein“.

In gewisser Weise ist das auch angebracht. Es hat aber natürlich auch Kehrseiten, die finanzielle vor allem. Und für so ein Stück mußt du natürlich mehr arbeiten, mehr tun. Du mußt es schreiben, mußt nach einer guten Bühne, nach guten Kostümen kucken, mußt die Rollen alle gut spielen, dann mußt du es verkaufen..

In „Jacke wie Hose“ haben Sie auch eine feste Rolle, oder sagen wir besser, feste Rollen, da Ella – um zu überleben – in die Haut ihres verstorbenen Mannes Max schlüpft. Dieser Geschlechtertrick liegt Ihnen?

Also die Frau in dem Stück, die hat eine Menge Phantasie, so daß man denken müßte, die muß irgendwann mal damit aufhören. Bei den Proben wollte ich ihr immer sagen, mensch, hör auf, versuche, irgendwie durchzukommen, du hast soviele Möglichkeiten, wenn du das schaffst, so nen schweren Job als Kranführer zu machen, dann kriegste auch irgendwas. Dann macht sie es auch einmal, das geht dann schief, und dann ist sie wieder da drin, dann ist es auch schon zu spät. Und plötzlich macht es dann Spaß, sie auch als Kerl zu spielen.

Ist das nun ein Frauen- oder Männerstück?

Ein Frauenstück. Das ist eine Frau, die so lange tut, als ob sie ein Mann ist, bis sie es fast schon ist. Das verselbständigt sich. Da ist ein sekundenschneller Übergang von der Frau zum Mann, den mag ich.

Derb und rüde ist dieser Max. Sie fanden sich da problemlos rein?

Ich bin ja nun alt genug, ich habe ja viele Männer beobachtet in meinem Leben. Schwierig war es nur, in den jungen Max reinzukommen, so ganz ohne Maske, da hab ich viel Zeit gebraucht. Das ist ja die Ella, die in den jungen Arbeiter rein muß.

Es wird jetzt wirklich langsam schwierig, Frauen- und Männerpart noch auseinanderzuhalten. Ist das jetzt „nur“ ein Spiel, eine Burleske, oder eher eine Entlarvung, eine Ernüchterung?

Es ist alles. Ich finde das Stück nach wie vor seltsam und ganz schrecklich. Ich glaube, die Nazis hätten Ella vielleicht nicht gleich erschossen, wenn sie gesagt hätte, ich bin ja gar nicht Max Gericke. Max Gericke ist tot. Ich bin ja Ella. Dann hätte sie vielleicht nicht in die SA müssen, dann hätte sie vielleicht in der Waffenfabrik arbeiten müssen. Aber sie hat sich in die Männergesellschaft reinbegeben, und da ist sie drin, und da bleibt sie auch drin.

Ist das für Sie glaubwürdig?

Ja. ...vielleicht nicht in dieser Konsequenz, aber es ist ja auch eine Parabel.

Sie spielen dieses Stück im Rahmen des Frauen-Theater-festivals „Von beiden Seiten aus gesehen“. Sehen Sie heute einige Dinge anders?

Es gibt ein paar Passagen, wo ich diesen Typen Max richtig gerne spiele. Da habe ich, glaub ich, so ein kleines Gespür dafür gekriegt, wie sich diese Typen manchmal fühlen müssen.

Wie denn?

Wie Ella Gericke geworden ist, ekelhaft eben.

Früher spielten die Männer Frauenrollen, weil Frauen nicht auf die Bühne sollten, dann die Frauen Männerrollen, um sich zu emanzipieren. Hat Sie „Jacke wie Hose“ als Schauspielerin weitergebracht?

Unbedingt. Fast das ganze Stück als Kerl rumzulaufen, das ist eine andere Ausdrucksweise. Es gibt immer ein paar Dinger, die man an Männern furchtbar findet, und die kannst du dann ein bißchen mit reinbringen. Die Möglichkeit hast du ja. Kneipenszenen, wie Männer besoffen in Kneipen rumbrüllen, und diese Sachen. Ich finde es gut, daß der Autor, Manfred Karge, das aufgenommen hat. Nur kurz zwar, aber immerhin.

Männer behaupten oft, Frauen würden sie karikieren, wenn sie Männerrollen spielen. Was sagen Sie dazu?

Ich lache.

Sie stehen drüber.

Ja, würde ich sagen.

Und was denken Sie insgeheim?

Ich möchte das so hinkriegen, daß man mir das glaubt.

Fragen: Silvia Plahl

Monika Kroymann spielt das Stück „Jacke wie Hose“ am 4.6. im Theater am Leibnizplatz, 19.30 Uhr

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen