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Flughafen Sperenberg ist aus dem Rennen

■ Stolpe spricht von „Galgenfrist“ / Wissmann zweifelt an Privatfinanzierung / Banken tragen kein „politisches Risiko“

Brandenburgs Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) sprach nach dem gestrigen Spitzentreffen in Bonn noch von einer „Galgenfrist“. Tatsächlich dürfte nach dem dreistündigen Treffen von Stolpe, Bundesverkehrsminister Matthias Wissmann und dem Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen (beide CDU), der Standort Sperenberg für einen neuen Großflughafen vom Tisch sein.

Stolpe hat die endgültige Ablehnung eines Airports in Sperenberg allerdings um mehrere Monate hinauszögern können: Er will für den Standort 50 Kilometer südlich des Berliner Zentrums eine Privatfinanzierung prüfen lassen. Erst danach wollen die Gesellschafter der Flughafen-Holding endgültig entscheiden, wo der neue Großflughafen hinkommen soll. Ein Ergebnis wurde frühestens für Ende des Jahres erwartet. An der Holding sind Berlin, Brandenburg und der Bund beteiligt.

Selbst Bundesverkehrsminister Wissmann zweifelte unmittelbar nach dem Spitzentreffen daran, daß Sperenberg „vollständig privat“ zu finanzieren ist. Der Flughafen würde 13 Milliarden Mark kosten, die Auto- und Eisenbahnzufahrten 1,8 Milliarden Mark. Der Bund will für Zufahrten aber nur 400 Millionen Mark zahlen – eine Summe, die den Kosten für die Verkehrsanbindung eines Großflughafens Schönefeld Süd entsprechen soll.

Die „Galgenfrist“ wird das Land Brandenburg teuer zu stehen kommen. Wie ein Vertreter der Nordrheinwestfälischen Landesbank, WestLB, sagte, kostet eine „seriöse Finanzplanung“ mehrere Millionen Mark. Unter anderem müßte ein genaues Flughafenkonzept erarbeitet werden. Der Banker hielt es für unwahrscheinlich, daß ohne eine Standortentscheidung ein Investor diese Kosten übernehmen werde: „Ein privatwirtschaftliches Konsortium kann keine politischen Risiken tragen.“

Auch die Berlin Brandenburger Flughafen Holding (BBF) reagierte auf Stolpes Idee distanziert. Zwar sei der Standort Sperenberg nach dem Bonner Spitzentreffen nicht aus dem Rennen, aber an Kosten für die Prüfung einer privaten Finanzierung werde sich die BBF nicht beteiligen, sagte Holding- Sprecherin Rosemarie Meichsner: „Diese Aufgabe hat Brandenburg aufbekommen.“ Sie begrüßte, daß Wissmann, Stolpe und Diepgen sich auf den längerfristigen Betrieb Schönefelds geeinigt haben. Einem Zwischenausbau stünde endgültig nichts mehr im Weg. Meichsner ging davon aus, daß der Stadtrandflughafen jetzt mindestens bis zum Jahr 2010 betrieben wird.

Für die Berliner CDU ist seit gestern offensichtlich nicht nur Sperenberg, sondern auch Schönefeld Süd als Standort für einen neuen Großflughafen aus dem Rennen. Jetzt müsse Schönefeld „ohne Wenn und Aber unverzüglich auf Hauptstadtniveau“ ausgebaut werden, meinte CDU-Fraktionschef Klaus-Rüdiger Landowsky. Die Bundesrepublik dürfe finanziell nicht überfordert werden. Die Bündnisgrünen im Bundestag bezeichneten das gestrige Ergebnis als „halben Schritt der Erkenntnis“. Sperenberg sei auf den Sankt- Nimmerleins-Tag verschoben, sagte der Abgeordnete Albert Schmidt, jetzt sollten die drei Politiker zugeben, „daß etwas anderes als ein Ausbau von Schönefeld nicht finanzierbar ist“.

Gänzlich verstimmt äußerten sich gestern die Sperenberg-Lobbyisten. Finanzsenator Norbert Meisner (SPD) kommentierte voller Sarkasmus, „die Berliner können nun auch im Jahr 2005 internationale Anschlußflüge in Frankfurt, Kopenhagen und Zürich erreichen“. Die Industrie- und Handelskammer zeigte sich „sehr unzufrieden“. Sperenberg sei zwar neben Schönefeld Süd als „schlüssiges Flughafenkonzept“ anerkannt worden, doch „die Wirtschaft will Ergebnisse, nicht ständig neue Prüfaufträge“. ÖTV- Chef und Aufsichtsratsmitglied der Holding, Kurt Lange, setzte seine Hoffnung in die Abgeordnetenhauswahlen am 22. Oktober. Eine große Koalition unter SPD- Führung könnte vielleicht doch eine Standortentscheidung für Sperenberg durchsetzen. Dirk Wildt

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