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Havel mit Karadzic-Regime verglichen

■ Der mit Spannung erwartete 46. Tag der Sudetendeutschen läuft ab wie eh und je: stockreaktionär und ohne eine Versöhnungsgeste an Tschechien / Vorstellung von Antje Vollmer geht im großen Tumult unter

München (AP/dpa/taz) – Von der „ausgestreckten Hand“, die der tschechische Präsident Václav Havel mit seinem Eingeständnis des „Unrechts der Vertreibung“ angeboten hatte, haben die Sudetendeutschen bei ihrem Pfingsttreffen in München nur einen kleinen Finger ergriffen.

Die Rituale des 46. Sudetendeutschen Tages liefen ab wie eh und je. Fahnen- und Trachteneinmärsche mit fescher Marschmusik einer Südtiroler Musikkapelle, das Totengedenken mit gesenkten Fahnen und dem Lied vom guten Kameraden und das Treffen der etwa 100.000 Teilnehmer – in früheren Jahren kamen bis zu 300.000 – waren wie immer. Einen Durchbruch bei den Beziehungen zwischen Sudetendeutschen und Tschechen gab es nicht. Immerhin hatte auch der Kanzler am Donnerstag nur recht unverbindlich „vernünftige Regelungen“ in Aussicht gestellt, möglicherweise auch mit Rücksicht auf die Wählerstimmen der 3,4 Millionen Sudetendeutschen, die in Deutschland leben.

Tumultartige Szenen bei Begrüßung Antje Vollmers

In München brachte eine auf der Hauptkundgebung verlesene und vielfach beklatschte Erklärung, in der die Schuld an der verzögerten Aussöhnung allein den Tschechen zugeschoben wurde, unnötige Schärfen in die Diskussion. In dieser Erklärung hieß es gar, Tschechien habe sich in die Nähe des Serbenführers Karadžić gerückt, weil es die Beneš-Dekrete bestätigt habe. Auffällig waren auch die tumultuösen Reaktionen unduldsamer Sudetendeutscher auf die Begrüßung der Bundestagsvizepräsidentin Antje Vollmer. Als der bayerische Landesobmann Rudolf Urbanek die Grünen-Politikerin begrüßte, brach ein Großteil der Kundgebungsteilnehmer in ein tumultartiges Buhgeschrei aus, in das sich „Pfui“- und „Raus“-Rufe mischten. Einen eigenen Beitrag hatte man Vollmer von vornherein nicht gestattet.

In München formulierte der Sprecher der Sudetendeutschen, der ehemalige bayerische Sozialminister Franz Neubauer, das große „Ja, aber...“ seiner Landsleute zu den Versöhnungsappellen. Er hob vor allem das jüngste Urteil des tschechischen Verfassungsgerichts hervor, das im Beneš-Dekret Nr. 108 „nicht nur einen legalen, sondern auch einen legitimen Akt“ sah, weil die enteignete und vertriebene sudetendeutsche Bevölkerung der Demokratie und ihrer Wertordnung feindlich gegenübergestanden und einen Angriffskrieg unterstützt habe.

Schirmherr Stoiber für Verhandlungen

Unter die Vergangenheit könne, wenn sie nicht aufgearbeitet sei, kein Schlußstrich gezogen werden, meinte Neubauer bei aller Betonung des guten Willens seiner Volksgruppe. Auch er bezichtigte die Tschechen mangelnder Gesprächsbereitschaft, seine Forderung nach einem Rückkehr- und gesicherten Volksgruppenrecht der Sudetendeutschen war vom tschechischen Botschafter in Bonn bereits abgelehnt worden.

Bundesminister Jürgen Rüttgers forderte als Vertreter der Bundesregierung dazu auf, die unterschiedlichen Erfahrungen und Gefühle anzuerkennen, ohne die eigenen zu verschweigen. „Wir sollten versuchen, dem jeweils anderen mit offenem Ohr und offenem Herzen zuzuhören“, rief er aus und erntete Zwischenrufe wie: „Das tun wir doch längst.“

Der Schirmherr der Sudetendeutschen und bayerische Ministerpräsident, Edmund Stoiber, sagte als einziger klar und deutlich, er stehe „jederzeit und ohne Vorbedingungen“ für Verhandlungen mit Prag zur Verfügung. Allerdings modifizierte der Schirmherr der Sudetendeutschen im Detail: Es sei zu verhandeln über die Beneš-Dekrete und das sogenannte tschechische Amnestiegesetz vom 8. 5. 1946, soweit es die während der Vertreibung an Deutschen begangenen Verbrechen nachträglich für rechtmäßig erklärte. „Unrecht ist Unrecht, auch nach 50 Jahren“, sagte der CSU-Politiker.

Weiter verlangte Stoiber die Ächtung der Vertreibung und das Recht auf Heimat für die Sudetendeutschen. Zu denken sei an ein Aufenthaltsrecht, das genauso unbürokratisch zu handhaben wäre, wie wenn ein Franzose nach Deutschland ziehe. Schließlich müsse über die Entschädigung von tschechischen Opfern des NS-Terrors verhandelt werden. Hier schlug Stoiber die Schaffung eines gemeinsamen Versöhnungsfonds vor, der ein Versöhnungswerk in Gang setzen solle. Aus dem Fonds sollten Opfer beider Seiten bedacht werden.

„Ein Störfaktor in Mitteleuropa“

In Prag gab es unterschiedliche Reaktionen auf die in München vom Sprecher der Sudetendeutschen Landsmannschaft erhobene Forderung nach einer Distanzierung der Tschechen von den Beneš- Dekreten. Deutschland könne nicht ernsthaft auf eine Annullierung der Beneš-Dekrete zählen, schrieb Lidové noviny. Die Vertreibungen seien ein „legaler Akt“ gewesen, auch wenn die dabei erfolgten „Auswüchse“ und „Gewalttaten“ Unrecht gewesen seien. Mladá fronta bemerkte dagegen, Prag müsse ein Zugeständnis machen und sich vom „Amnestie-Gesetz“ distanzieren. Die der sozialliberalen Partei nahestehende Zeitung Svobodné slovo schrieb, die Sprecher der Sudetendeutschen Landsmannschaft blieben ein Störfaktor in Mitteleuropa. klh

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