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An der Materie vorbeigefragt

■ betr.: „Was ist los mit dem studen tischen Nachwuchs?“ (Campus), taz vom 20./21. 5. 95

Was ist los mit der taz, möchte man angesichts des oberflächlichen und völlig undifferenzierten Artikels fragen.

Zwei Monate vor den Gremienwahlen eine Umfrage zum Thema Wahlen an einer Uni in einem der beiden „Süd-Bundesländer“ (Baden-Württemberg und Bayern) durchzuführen, ist ziemlich sauber an der Materie vorbeigefragt, ohne wirklich Unrichtiges zu schreiben.

In Baden-Württemberg werden drei Studierende und drei StellvertreterInnen für den (kleinen) Senat gewählt. In diesem Gremium können sie sich ab und an zu Wort melden, Papiere und Verordnungen entgegennehmen und sich sonst unter ferner liefen abtun lassen. Nach einem Verfassungsgerichtsurteil von 1973 müssen die ProfessorInnen in jedem Gremium die Mehrheit haben. Die StudierendenvertreterInnen können in der Regel gegen die Mehrheit der ProfessorInnen nichts ausrichten. Die sieben StudierendenvertreterInnen im Großen Senat haben sowieso keine Funktion, da der Große Senat nur dazu da ist, einmal jährlich den Rechenschaftsbericht des Rektors „entgegenzunehmen“ und mit ein paar Randbemerkungen zu versehen. Eine Entlastung des Rektors und seiner „Regierung“ im Sinne einer Vollversammlung einer AG oder eines Vereins ist nicht vorgesehen.

Da mensch mit diesen vorgegebenen Strukturen auf keinen Fall zufrieden sein kann, hat sich neben den offiziellen Strukturen eine unabhängige Struktur herausgebildet. Diese baut auf den Unabhängigen Fachschaften auf, die in den einzelnen Fachbereichen i.d.R. von den Studierenden gewählt werden. Die unabhängigen Fachschaften haben sich in der Fachschaftskonferenz, kurz FSK, zusammengeschlossen, um sich uniweit zu koordinieren. Die FSK wählt für verschiedene fachbereichsübergreifende Themen ReferentInnen, die zu so unterschiedlichen Bereichen wie Frauen/Lesben, Antifa, Soziales, Ökologie, Kultur ... arbeiten.

Zugänglich ist den Studierenden nur die Diskussion in den studentischen Treffen. Um die Partizipationschancen zu nutzen, brauchen wir repräsentative Vollversammlungen, Fachschaftsarbeit – und im Prinzip reicht eine Wahlbeteiligung von ein Prozent, die die „richtigen“, nämlich die FachschaftsvertreterInnen in die Gremien wählen. Daß gerade die taz in bezug auf Uniwahlen (und hier sind ausdrücklich keine anderen Wahlen und keine Wahlen in den nördlichen Bundesländern mit Verfaßter Studierendenschaft gemeint!) derartig unreflektierte Sätze verbreitet, befremdet.

Interessant ist nicht die Wahlbeteiligung, vor allem im Süden – durch höhere Wahlbeteiligung ändert sich nichts an der Ausgangssituation, sondern nur durch mehr Proteste und eine neue Regierung. Kerstin Niese, Kirsten Pistel,

Annette Sowa,

Fachschaftskonferenz der

Universität Heidelberg

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