: Wo die Schwarzmeer-Flotte rostet
■ Vertrag zwischen Rußland und Ukraine: Schiffe aufgeteilt
Moskau (taz) – Keineswegs zur letzten Schlacht um Sewastopol traten die Präsidenten Rußlands und der Ukraine, Boris Jelzin und Leonid Kutschma, gestern im russischen Sotschi an. Sie unterschrieben einen Vertrag über die Teilung des Schiffsbestandes der ehemals sowjetischen Schwarzmeerflotte und einigten sich in groben Zügen auch über deren sonstiges Inventar. Rußland darf seine Flotte auch künftig in Sewastopol stationieren – zu welchen Bedingungen dies geschehen soll, blieb aber für weitere Verhandlungen ausgeklammert. Wo die ukrainischen Fregatten stationiert werden sollen, wurde ebensowenig geklärt.
Rußland beansprucht einen großen Teil der Bucht von Sewastopol quasi als Besitz, die Ukraine möchte diesen Teil schmälern und zudem nur zur Pacht abgeben.
Der gestern abgeschlossene Vertrag sieht vor, daß Rußland und die Ukraine im Prinzip je 50 Prozent des schwimmfähigen Flottenbestandes erhalten. Praktisch wird allerdings Rußland 80 Prozent der vor sich hin rostenden Schiffe dirigieren dürfen, weil es zwei Drittel des ukrainischen Anteiles aufzukaufen bereit ist. Was dann noch übrigbleibt, bekommt den Namen „Seestreitkräfte der Ukraine“.
Es soll also künftig zwei Flotten geben; und im Vertrag ist die Rede von getrennten Basen. Offenbar weiß man aber noch immer nicht, wo genau diese liegen und zu welchen Bedingungen sie genutzt werden können. Da küßten sich Jelzin und Kutschma gleich dreimal, und der russische Präsident sprach sogar von einem „historischen Ereignis“. Im gleichen Atemzug erwähnte er eine Notwendigkeit, die Flottenfrage in eine gemeinsame russisch-ukrainische strategische Konzeption einzubinden. Der Vorschlag droht in Kiew auf taube Ohren zu stoßen.
Die Flotte ist der Eckstein des Anstoßes in einem umfangreichen wirtschaftlichen und juristischen Vertragsgebäude, das in den letzten Monaten zwischen Kiew und Moskau errichtet wurde. Der Weg zu dessen Fertigstellung führt mindestens noch über eine weitere Perle unter den Verhandlungskurorten der Flottendiplomatie. Nächstes Mal soll sie auf der Krim liegen. Barbara Kerneck
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