piwik no script img

Heißer Sommer für Genmais

Freisetzungsversuche nehmen zu, die Zahl der Gegenaktionen ebenfalls / Hoechst/Schering-Tochter versucht europaweit 200mal  ■ Aus Freiburg Christian Rath

„In diesem Sommer wird auf den Äckern noch viel passieren“, freut sich Henning Strodthoff von der bundesweiten „Koordinationsstelle gegen Freisetzungsversuche“. Einiges ist bereits im Gange. Seit 2. Juni hält eine Gruppe, die sich „Die Wühlmäuse“ nennt, ein Versuchsfeld im hessischen Wölfersheim-Melbach besetzt. Ein weiteres „Gen-Camp“ befindet sich im südbadischen Buggingen bei Freiburg. Dort zeltet die örtliche „Bürgerinitiative gegen den Anbau genmanipulierter Pflanzen“ zwar auf dem Feldweg neben der Versuchsfläche. Doch als die Saatgutfirma Van der Have, die in Buggingen genmanipulierten Mais anbauen möchte, zur Aussaat anrückte, waren auch die FreisetzungsgegnerInnen auf dem Acker. Mit dabei auch viele Landwirte aus Buggingen oder dem umliegenden Markgräferland. Nach einem, wie beide Seiten betonen, „sachlichen und intensiven“ Austausch der Argumente, zogen die Saatzüchter zunächst wieder ab. Und weitere Zwischenfälle blieben bisher aus, denn Van der Have kann nur bei trockenem Wetter säen.

Seit dem 19. Mai ist die Freisetzung in Buggingen vom Robert- Koch-Institut (RKI) in Berlin genehmigt. Inzwischen hat die BI eine Klage gegen den Versuch beim Berliner Verwaltungsgericht eingereicht. Eine Entscheidung darüber, ob die Klage aufschiebende Wirkung hat, wird voraussichtlich Mitte nächster Woche fallen. Wenn dies abgelehnt wird, wäre das auch eine Vorentscheidung über die Erfolgsaussichten des Hauptverfahrens. RKI-Justitiar Michael Bast ist sich aber ziemlich sicher, daß die Genehmigung seiner Behörde Bestand haben wird: „Wir haben schon mindestens fünf Klagen gegen Freisetzungsgenehmigungen bekommen und noch nie vor Gericht verloren.“

Klage vorm Verwaltungsgericht

Insgesamt 22 Freisetzungsversuche hat das RKI (früher Bundesgesundheitsamt) seit 1989 genehmigt. Hauptantragsteller ist die gemeinsame Pflanzenschutztochter von Hoechst und Schering, Agrevo. Derzeit laufen neun Agrevo- Freisetzungen in der Bundesrepublik. Vier davon begannen bereits im letzten Jahr (Friemar/Thüringen, Gersten/Niedersachsen, Gersthofen/Bayern und Wörrstadt/Rheinland-Pfalz), weitere fünf sind in diesem Jahr hinzugekommen (Gehrden/Niedersachsen, Bönen/Nordrhein-Westfalen, Melbach/Hessen, Tarnow/Meck- Pomm und Rukieten/Meck- Pomm). Alle Versuche sollen drei Jahre laufen. Ziel von Agrevo ist die Zulassungserweiterung seines Totalherbizids „Basta“. Ein Totalherbizid radiert unterschiedslos alle Pflanzen aus, egal ob Unkraut oder Nutzpflanze.

Agrevo möchte nun, daß Basta demnächst auch direkt auf Mais- und Rapsfelder gesprüht werden darf. Doch Sinn macht das aber nur, wenn die Pflanzen zuvor gegen Basta resistent gemacht werden. Die Firma bietet allen Züchtern deshalb an, ein entsprechendes Gen, das sogenannte PAT- Gen, in ihre Pflanzen einzubauen. Unter dem Strich sei das Verfahren umweltfreundlicher als der bisherige Pestizideinsatz, weil Basta sich sehr gut und schnell im Boden abbaue, sagt die Firma. Nur der martialische Name „Basta“ soll dann ersetzt werden. In Kanada etwa ist das Produkt unter der Bezeichnung „Liberty“ auf dem Markt.

Die GentechnikkritikerInnen wenden jedoch nach wie vor ein, daß es aufgrund nicht absehbarer Wechselwirkungen auch zu Unkrautresistenzen und anderen unerwünschten Folgen kommen könnte. Die BäuerInnen fürchten vor allem eine weitere Industrialisierung der Landwirtschaft. Agrevo selbst bietet keine entsprechenden Pflanzen an, seine Versuche dienen allein der pflanzenschutzrechtlichen Zulassung und der Erarbeitung von Produktinformationen. „Wir müssen den Landwirten ja sagen können, wie und wann sie bei welchen Böden wieviel spritzen sollen“, erklärt Agrevo-Sprecher Gerhard Waitz. Agrevo hat zwar beim deutschen Saatgutmarktführer KWS eine Minderheitenbeteiligung, dies soll aber keinesfalls zu einer Bevorzugung etwa gegenüber der holländischen Konkurrenz von Van der Have führen. „Unser Ziel ist, soviel wie möglich Herbizid zu verkaufen, deshalb sollen möglichst viele Züchter möglichst gute basta- resistente Pflanzen anbieten“, erläutert Waitz. Europaweit hat Agrevo derzeit „rund 200“ Versuche laufen. So fällt es Agrevo auch zunehmend leichter, die Verluste von Versuchsfeldern durch Aktionen militanter Gentech-GegnerInnen zu verschmerzen. Im letzten Jahr war Agrevo durch eine Aktion in Gersthofen bei Augsburg betroffen, die nach Firmenangaben 500.000 Mark Sachschaden und 9,5 Millionen Mark Investitionsverlust verursachte.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen