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Akademische Farce an der Humboldt-Uni

■ Sparliste für 11 Millionen Mark beschlossen, obwohl Mehrbelastung fast sicher

Die Humboldt-Universität (HU) bleibt vorerst dabei, daß sie sich an den Einsparungen im Wissenschaftsetat statt der geforderten 27 Millionen nur mit 11 Millionen Mark beteiligen will. Der Akademische Senat beschloß gestern fast einstimmig, statt der Einstellung eines ganzen Fachs die Sparsumme lieber über alle Fakultäten zu verteilen. In Chemie, Physik, Biologie, Mathematik, Informatik, Theologie und Agrarwissenschaften entfallen danach je zwei Professuren. Historiker, Germanisten, Kunst- und Kulturwissenschaftler, Pädagogen, Ökonomen und Juristen sollen auf jeweils eine Hochschullehrerstelle verzichten.

Der Beschluß lehnt sich insofern an die „Giftliste“ von Wissenschaftssenator Manfred Erhardt an, als die Naturwissenschaften größere Opfer bringen müssen als Geistes- und Sozialwissenschaften. Uni-Präsidentin Marlis Dürkop sagte aber, in Erhardts Plan würden erstere „so heruntergefahren, daß sie nicht mehr konkurrenzfähig wären“. Auch die vom Senator vorgeschlagene Abwicklung des NC-Studiengangs Pharmazie lehnt die HU ab. Wer dies mit der geringen Nachfrage nach Chemie-Studienplätzen begründe, vergleiche Äpfel mit Birnen.

Der Dekan der Kunst- und Kulturwissenschaften, Horst Bredekamp, malte die Lage wie stets in den düstersten Farben. Er lehnte das praktizierte „Proporzsparen“ ab. Stattdessen habe die HU von Anfang an entweder „brutale Strukturentscheidungen“ zur Einstellung ganzer Fächer treffen oder den „massivsten möglichen Protest“ anmelden müssen, einschließlich einer Rücktrittsdrohung aller universitären Organe. Das beschlossene Konzept vermittle dem Senator die Botschaft, daß die HU notfalls auch mehr einsparen könne.

Die Bereitschaft der anderen Universitäten, die verbleibenden 16 Millionen Mark aufzubringen, hält sich ohnehin in Grenzen. „Es ist eine Zumutung, wenn die Humboldt-Uni, die zum ersten Mal vom Sparen betroffen ist, jetzt mit ihrem Leid hausieren geht“, hatte FU-Präsident Johann Wilhelm Gerlach die Haltung der HU kommentiert. Über den provisorischen Charakter der Sparliste war sich der Akademische Senat daher im klaren. „Ich bin der Meinung, daß es dabei nicht bleiben wird“, sagte HU-Vizepräsident Detlef Krauß. Sollte der Hauptausschuß des Abgeordnetenhauses in der kommenden Woche die vollen 27 Millionen kürzen, sei die Schließung ganzer Fächer unumgänglich. Krauß widersprach aber der Befürchtung, an den Fachbereichen würden wahllos die Stellen wegfallen, deren Inhaber als erste in den Ruhestand gingen. „Was wissen Sie denn, was nach so einem Beschluß für ein Exodus von den Fakultäten einsetzt?“ Ralph Bollmann

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