: Unterm Strich
Der italienische Klaviervirtuose Arturo Benedetti Michelangeli ist tot. Der seit längerem herzkranke Pianist starb am Montag in einem Krankenhaus in Lugano. Erst vor fünf Monaten hatte der aus Brescia stammende Musiker seinen 75. Geburtstag gefeiert. Michelangeli wurde vor allem mit seinen Interpretationen von Werken Schumanns, Debussys und Chopins bekannt. Eine Lehrtätigkeit am Konservatorium von Bologna war nur von kurzer Dauer – wegen Zwistigkeiten mit der Bürokratie, wie es hieß. Statt dessen unterrichtete er unentgeltlich Privatschüler, gemäß seiner Devise: „Jeder hat ein Recht auf Musik. Jeder, der es verdient.“ Michelangeli, dessen Lebensprinzip „No sports“ lautete und der heftig rauchte, konnte sein Publikum in Ekstase versetzen: 1964 in Moskau wollten doppelt so viele Menschen den Pianisten hören, wie Plätze vorhanden waren, ein Jahr später fielen einige Musikliebhaber in Japan gar in ein Delirium. „Spielen bedeutet Anstrengung, große Schmerzen in Händen und Schulter“, ließ Michelangeli erklären – und erschien nicht. Als seine Schallplattenfirma Pleite machte, verlor der Künstler seinen gesamten Besitz, Pianos inbegriffen. Seither ließ sich Michelangeli in seiner Heimat kaum noch sehen. Nur im Vatikan spielte er 1987 noch einmal. Als er 1993 hörte, daß zu einem angekündigten Konzert in London eine Gruppe italienischer Musikfans kommen wollte, sagte er kurzfristig ab.
Festspiele und Freilichtbühnen vermindern die Schwellenangst vor dem Theater. Das jedenfalls ist die Ansicht von Bundespräsident Roman Herzog. Bei Freilichttheatern, sagte er am Montag bei der Eröffnung der 45. Bad Hersfelder Festspiele, gehe nämlich alles ein „bißchen ungezwungener“ zu. In der Bad Hersfelder Stiftsruine werden bis zum 6. August Shakespeares „König Lear“, Zuckmayers „Rattenfänger“ und das Musical „Cabaret“ geboten. Der Reiz dieser Theaterform liege darin, daß man nicht die Schwelle eines Theaters überschreiten müsse, um großes Schauspiel zu sehen. Im Mittelpunkt stehe das Bühnengeschehen „und nicht die Frage, was man als Zuschauer anziehen muß“. Abgesehen davon, daß wir uns das in diesen verregneten Frühsommertagen sehr wohl überlegen sollten, erkennen wir doch die frohe Botschaft: Festspiele ermöglichen es uns, unverkrampft zu sein.
Ganz unverkrampft.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen