: LSB-Skandal: Wedemeier mittendrin
■ Aktenvermerk belastet den Bürgermeister: Ermittlungen verschleppt / Jakubowski suspendiert
Erste Konsequenzen beim Skandal um das Bauprojekt beim Landessportbund: Am Dienstag abend hat das Präsidium des LSB beschlossen, den schwer belasteten Projektleiter Siegfried Jakubowski vom Dienst zu suspendieren. Gestern ist der Senator für Arbeit, bei dem Jakubowski eigentlich angestellt war, dem Beschluß gefolgt und hat eine fristlose Kündigung eingeleitet. Zudem wurde dem Meister der LSB-Tischlerei fristlos gekündigt. Und gestern nachmittag hat der Staatsanwalt die Büroräume des Bauprojektes durchsucht. Unterdessen haben die Recherchen von taz und Buten&Binnen zu neuen Erkenntnissen geführt. Der Skandal weitet sich aus, und mittendrin sitzt der ehemalige Arbeitssenator. Er hat schon 1991 Ermittlungen gegen Jakubowski vorerst gestoppt. Das beweist ein Aktenvermerk. Der Name des Arbeitssenators: Klaus Wedemeier.
Seit Beginn des Projektes 1988 gingen beim Arbeitssenator und beim Landessportbund Beschwerden über das LSB-Projekt und seinen Leiter ein. Das bestätigen eine ganze Reihe von MitarbeiterInnen. Insbesondere der autokratische Führungsstil Jakubowskis, seine Ausfälle gegen Frauen und Ausländer, seine Pressionen gegen MitarbeiterInnen, aber auch die Privateinsätze der Beschäftigten wurden immer wieder beklagt. Aber nicht nur das. Im Frühjahr 1989 hat der Arbeitssenator zum ersten Mal eine schriftliche Meldung darüber erhalten, daß Jakubowski Baumaterial privat abgezweigt hatte. Gleichzeitig waren beim Arbeitssenator die Sachmittel eines Projektes geprüft worden – mit haarsträubenden Ergebnissen. Doch die weiteren Ermittlungen wurden von der Ressortspitze gedeckelt. Ein Mitarbeiter beim Arbeitsresort: „Die haben alles verschleppt, bis es verjährt war.“ Und Hauptverschlepper war der damalige Arbeitssenator Klaus Wedemeier.
Dieter Schulze-Herringen war 1988 zum Bauprojekt gekommen. Ein Elektriker, der sich bald zum zweiten Mann hinter Jakubowski entwickelte. Doch geblieben ist er nur bis zum Frühjahr 1989. „Wie der die Arbeiter niedergemacht hat, das war unerträglich.“ Aber das war nicht der einzige Grund für seinen Abgang. Beim Umbau der Büroräume am Stützpunkt des Bauprojekts in der Elsflether Straße habe Jakubowski Rigipsplatten mitgehen lasen, für einen privaten Umbau. Die Belege habe er kopiert, sagte Schulze-Herringen, sei damit im Februar 1989 zum Arbeitssenator marschiert und habe ausgesagt. Die Abteilung, bei der er das tat, wurde damals von Dagmar Lill geleitet, mittlerweile Bremer Ausländerbeauftragte. „Die haben gesagt, daß es schon mehrere Eingaben gegeben hat.“
Passiert ist – nichts. Schulze-Herringen hatte denselben Eindruck, den nach ihm noch viele MitarbeiterInnen haben sollten: „Der hat Mitarbeiter wegen einer Dose Farbe zur Sau gemacht, aber er kann sich alles erlauben. Dabei hätten der Arbeitgeber und der Arbeitssenator doch was machen müssen. Schließlich waren das ja öffentliche Gelder.“ Beim Arbeitsressort ist der Fall bekannt, „aber Schriftliches gab es dabei nicht“, sagte gestern Arbeitsstaatsrat Arnold Knigge.
Was Schulze-Herringen nicht wußte: Es passierte doch was. Im Arbeitsressort wuchsen die Zweifel an der Seriösität von Jakubowskis Geschäftsführung. Der Grund: Jakubowski hatte Belege für eine Baumaßnahme vorgelegt, die das Projekt für den Sportverein Tura durchgeführt hatte. Und die Prüfung dieser Belege förderte haarsträubende Ergebnisse zu Tage. Die Finanzierung des Baus war so angelegt, daß Tura bei einzelnen Arbeiten zuzuzahlt. Nach der Prüfung der Bücher ergab sich allerdings ein ganz anderes Bild. Beispiel Tischlerei: Für die Arbeit der Tischler waren 45.000 Mark veranschlagt, 15.000 sollten aus dem Topf des Arbeitssenators, 35.000 von Tura kommen. Bei der Endabrechnung hatten die LSB-Tischler plötzlich ihr Budget beim Arbeitssenator kräftig überzogen, nämlich um mehr 30.000 Mark. Merkwürdigerweise gab es keine Belege darüber, daß Tura je seinen Teil dazugegeben hätte. Und Jakubowski konnte sie auch nicht liefern. Resultat der Prüfung, ausweislich der Akten: Ganz klar an der Landeshaushaltsordnung vorbei, ein Fall für den Landesrechnungshof.
Doch der hat nie ein Sterbenswörtchen davon erfahren. Kein Wunder, die weitere Prüfung wurde von oben verhindert, von ganz oben.
Ein Aktenvermerk aus dem Jahr 1991: „SV hat den Bürgermeister heute in der Koordinierungsrunde über diesen Fall informiert. Bürgermeister hat entschieden, daß erst nach der Wahl diese Geschichte weiter verfolgt werden soll.“
Im September 1991 sollte die neue Bürgerschaft gewählt werden, und „Bürgermeister“ hatte ziemlich großes Interesse an Ruhe im Karton. SV ist das behördeninterne Kürzel für Staatsrat. Der hieß damals im Arbeitsressort Manfred Weichsel. „Bürgermeister“ war gleichzeitig Arbeitssenator und hieß, wie er heute noch heißt: Klaus Wedemeier.
Die Begründung für die Entscheidung von „Bürgermeister“ ist ziemlich simpel: Zum einen, um die eigenen Wahlchancen nicht zu gefährden, zum anderen aber auch aus Rücksicht auf einen Spitzengenossen. Denn Vorsitzender des Sportvereins Tura, der nach Lage der Akten bei dem Geschäft ziemlich profitieret hatte, war kein geringerer als Peter Sakuth, damals noch Innensenator, bis zum Ende dieser Legislaturperiode SPD-Bürgerschaftsabgeordneter, immer noch Vorsitzender des SPD-Unterbezirks Bremen-West und zweiter Vorsitzender des Landessportbundes. So ist es kaum verwunderlich, daß auch nach den Wahlen in der Sache nichts passierte. „Wir prüfen noch die Belege“, sagt Arbeitsstaatsrat Knigge. Die Unregeklmäßigkeiten seien noch nicht aufgeklärt. Seit sechs Jahren.
„Wir haben uns immer mal wieder mit dem Thema beschäftigt“, sagt Sonja Hannemann, Personalrätin beim Arbeitssenator. „Wie haben die Ressortspitze immer wieder aufgefordert, etwas zu unternehmen.“ Ohne Erfolg. Die Überprüfungen des Arbeitssenators liefen nämlich immer nach demselben Muster ab: Es kommen Beschwerden, der Arbeitssenator fordert den LSB zu einer Stellungnahme auf, der fordert Jakubowski zu einer Stellungnahme auf, der preßt die MitarbeiterInnen zu einer Stellungnahme, und alles bleibt beim alten.
Nach dem Unfall des Tischlers Gottfried Ludewig machten sich Prüfer des Arbeitssenators auf den Weg, um in die Personalakten des Bauprojektes zu gucken. Sie fanden nichts. Jakubowski hatte gewußt, daß da Prüfer kommen. „Er hat die Anwesenheitsliste für die Zeit des Unfalls in den Reißwolf geworfen und neu schreiben lassen“, sagt Heike Reihs aus der Projektverwaltung, die über Jahre Tür an Tür mit Jakubowski gearbeitet hat. „Dann hat er ein paar Urlaubsscheine so geknittert, daß sie alt aussahen, ist damit zur Tischlerei gefahren, und hat sie sich unterschreiben lassen.“ Und dann habe Jakubowski ein Fahrtenbuch gefunden. Eintrag: Rosenberg (wo die Tischlerei ist) – Stuckenborstel (zum Privathaus Jakubowskis); Unterschrift vom Tischler Ludewig. „Da hat er mich angewiesen, das zu vernichten. Als er es ein paar Tage später immer noch auf meinem Schreibtisch gefunden hat, da hat er es persönlich in den Reißwolf gesteckt.“ Und noch am vergangenen Freitag, als im LSB-Bauprojekt niemand arbeitete, war Jakubowski im Büro.
Gestern nachmittag ist der Staatsanwalt mit rund zehn BeamtInnen beim Landessportbund eingerückt, hat die Büros des Bauprojekts und der LSB-Zetrale, die Tischlerei, die Privatwohnung Jakubowskis und sein Parzellenhäuschen durchsucht. Mehr als hundert Aktenordner haben die Beamten mitgenommen. Schwer vorstellbar, daß die Staatsanwaltschaft gestern fündig geworden ist
. Jochen Grabler
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