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Auf Tonband Ihre Majestät – zu Händen von AK

■ Der spanische Geheimdienst bespitzelte jahrelang alle und jeden – Journalisten, Unternehmer und selbst den König / Verteidigungsminister bietet Rücktritt an

Madrid (taz) – Wo auch immer in den letzten elf Jahren in Spanien per Autotelefon oder Handy gesprochen wurde, der militärische Abschirmdienst Cesid hörte mit. Journalisten, Minister oder Botschafter, so enthüllte die Zeitung El Mundo, wurden genauso bespitzelt wie einfache Bürger. Die Krönung: Selbst Spaniens König Juan Carlos wurde ausgehorcht.

Cesid-Chef Emilio Alonso Manglano bestreitet die Vorwürfe nicht. Der drei Millionen Mark teure Scanner, der vollautomatisch alle Frequenzen durchsuchen und bis zu tausend Gespräche gleichzeitig abhören und aufnehmen kann, diene der Jagd auf „Drogenhändler, ausländische Geheimdienste und Terroristen“ – und dabei gehen natürlich auch Unschuldige ins Netz. In diesem Falle „wurden die Informationen nicht genutzt und die Aufnahmen sofort vernichtet“, verteidigt sich Manglano. Einen Tag später strafte ihn El Mundo Lügen: Die Zeitung veröffentlichte wortgenaue Abschriften einzelner Gespräche und die Kopie einer 95 Kassetten umfassenden handschriftlichen Archivliste. Penibel sind Name, Datum, Frequenz, Gesprächspartner und Gesprächsthemen vermerkt. Drogenhändler oder gar Terroristen sucht man vergeblich.

Dafür anderes: Zwei Journalisten telefonieren mit der Gewerkschaft der Guardia Civil. Warum dies den Cesid interessiert? Gewerkschaftliche Betätigung in der Polizeitruppe, die teilweise dem Verteidigungsministerium untersteht, ist ebenso wie in der Armee strengstens verboten. Oder Außenminister Ordoñez spricht mit einem seiner Berater über das Vorgehen im Golfkrieg. Interessante Details fürs Militär, das Schiffe ins Krisengebiet entsandte. Oder El Mundo-Herausgeber Pedro J. Ramirez redet mit dem Journalisten Melchor Miralles. Sie wurden belauscht, als sie 1987 den schmutzigen Krieg der GAL aufdeckten. Auch die Bodyguards von Marokkos Staatschef König Hassan, der deutsche Botschafter Guido Brunner, sein US-Kollege Thomas Enders samt Ehefrau und die Diplomaten Kubas haben einen festen Platz auf der Abhörliste, genauso wie die Funktionäre der Regierungspartei PSOE: Der Cesid versorgte Vizepräsident Narcis Serra regelmäßig mit Informationen über Kritik am Regierungschef González. Unter „Gesprächsinhalte“ wurde auch schon mal Amouröses wie „Minister mit Freundin Anna“, „italienischer Unternehmer mit männlicher Affäre“ oder „einer verheirateten Frau“ vermerkt. Nur bei König Juan Carlos wahrte man strengste Diskretion. „Zu Händen von AK“, Codename von Chef Manglano, steht als einziger Zusatz hinter dem Eintrag „Ihre Majestät 4. 10. 90“. Von der Verschwiegenheit wurde nur abgesehen, wenn es finanziell lukrativ erschien: Aufzeichnungen aus Privatgesprächen, die 1993 in der Boulevardpresse auftauchten, als der Vater von Juan Carlos im Sterben lag, waren, wie sich jetzt herausstellte, von Manglanos Dienst verscherbelt worden. Bei der Verhaftung von sieben Wachmännern der Tageszeitung Vanguardia im November 1993 fand die Polizei 100 Stunden Telefonmitschnitte von Politikern und Journalisten. Vier der Verhafteten waren Cesid- Agenten, „alle längst außer Dienst“, beteuerte Manglano vor Gericht. Wie sie an die Akten kamen, konnte er nicht erklären.

Während Generalstaatsanwalt Carlos Granados Ermittlungen wegen Verletzung des Fernmeldegeheimnises einleitet, verlangt die Opposition den Rücktritt von Verteidigungsminister Julián Vargas und Geheimdienstchef Emilio Alonso Manglano. Vargas wird heute nachmittag zusammen mit Vizepräsident Narcis Serra vor dem Innenausschuß zu den Vorwürfen Stellung nehmen. Der Verteidigungsminister scheint bereit zurückzutreten. Doch damit will sich weder die Opposition zufrieden geben noch die katalanischen Nationalisten der CiU, mit deren Unterstützung Felipe González regiert. Sie sehen in Vizepräsident Narcis Serra den Mann, bei dem alle Fäden zusammenlaufen. Reiner Wandler

Siehe auch Portrait Seite 11

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