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Die Mischung als Modell

Mit einem Fest wird am Wochenende das neue Konzept der Hackeschen Höfe vorgestellt / Fertigstellung im Herbst geplant / Investor ist optimistisch  ■ Von Uwe Rada

Noch versteckt sich der neue Charme der Hackeschen Höfe hinter dem prosaischen Alltag einer Baustelle. Die blauen Kacheln des Endellschen Jugendstilhofs werden durch Bauplanen verdeckt, durch die Tordurchfahrten schieben sich Kleinlaster, die Straßenfassade ist eingerüstet. Gleichwohl ist Leben eingezogen in die neun Hinterhöfe am Hackeschen Markt. Der Ort, den es zu beleben gilt, das ist spürbar, ist nicht mehr der Ort „Hackesche Höfe“ der Vergangenheit. Es ist der Ort im Umbau, der eine Vergangenheit zu bewahren sucht, sie neu definiert und fortschreibt.

Im Erdgeschoßbereich des mit neun Höfen in Deutschland wohl einzigartigen Ensembles sind nunmehr Galerien, Kunsthandwerker und Designer eingezogen. Für die „Gesellschaft Hackesche Höfe“, den Betreiberverein, Grund genug, am Wochenende ein Einzugsfest zu feiern. Zehntausend Besucher erwartet man, darunter auch die beiden Investoren Roland Ernst und Rainer Behne. Bis zum Jahresende soll die Sanierung der achtzig Wohnungen, die Rekonstruktion der Jugendstilfassade und die Neugestaltung der Außenfassade abgeschlossen sein.

Wer künftig von der S-Bahn Hackescher Markt kommend die Rosenthaler Straße entlang geht, wird hier, im „Eingangsbereich zur Spandauer Vorstadt“, sanft umworben werden. Von einem Restaurant mit Bistrocharakter, Designer-Läden, Druckerei, Kostümhaus, Fahrradwerkstatt, dem Erotischen Museum, der Architekturgalerie Aedes-East und zahlreichen anderen Gewerbe- und Dienstleistungstreibenden.

Die Hackeschen Höfe, ein Touristenort für Schickis? Rainer Blankenburg spricht von einer Gratwanderung. Der ehemalige Mitarbeiter des Kulturamts und heutige Projektbetreuer für die Hackeschen Höfe setzt auf „Mischung“. Die „Mischung in den Höfen“, da ist er sich sicher, wird für die Spandauer Vorstadt Modellcharakter haben. Auch mit dem Investor ist er zufrieden. „Die Umsetzung des Konzepts“, meint er, „ist mit Roland Ernst letzten Endes schneller gegangen, als es mit dem Land Berlin oder der Wohnungsbaugesellschaft zu erwarten gewesen wäre.“ Ein Lob, das nicht unerhört bleibt. Auch Roland Ernst, einer der größten Bauherren der Neugründerzeit, spricht von einer „sehr vertrauensvollen Zusammenarbeit“ für das 50-Millionen-Mark-Projekt. Ein „Nullachtfünfzehn-Projekt“, meint er, könne man immer bauen. Die Hackeschen Höfe dagegen seien etwas Besonderes.

Zusammen mit dem Investor Rainer Behne hat Ernst die Hackeschen Höfe 1993 von den Erben Jakob Michaels gekauft und engagiert sich dort als Privatperson. Die kleinteilige Nutzungsmischung, 35 Prozent Wohnen, 26 Prozent Büro, 18 Prozent Kultur, der Rest produzierendes Gewerbe und Gastronomie, mußte freilich mit dem Bezirksamt und dem Verein „Hackesche Höfe“ erst ausgehandelt werden. In einem Sanierungsvertrag wurde bis ins Detail festgelegt, wer an welcher Stelle zu welcher Miete einzieht. Kompromißbereitschaft, meint Projektleiter Blankenburg, war dabei von beiden Seiten zu erbringen.

Streit gab es einzig mit dem Denkmalschutz: Die Oberlichter der Kellerräume wurden, trotz Einspruchs des bezirklichen Denkmalschutzes, extravaganten Leichtmetalleingangsbereichen im zweiten Hof geopfert. Schuld daran, so munkelt man, sei der kurze Draht der Architekturgalerie Aedes zu Volker Hassemer, der in Denkmalschutzfragen das letzte Wort hat.

Daß die Mischung der von Kurt Berndt 1906 errichtenen Hackeschen Höfen von Beginn an freilich weniger von sozialpolitischen Überlegungen als von einem standortorientierten Marketing geleitet war, davon ist der Kunstwissenschaftler Alexander Haeder überzeugt: „Der Gedanke, dem Komplex eine spezifische soziale oder gar kulturelle Idee zum Zeitpunkt seiner Bebauung zu unterlegen, dürfte kaum zutreffen“, schreibt Haeder in einem Beitrag in dem bei Argon erschienenen Bild-Text-Band „Die Hackeschen Höfe“. „Die Neumannschen Festsäle“, heißt es dort, „entsprangen den gleichen und zwar ausschließlich kommerziellen Überlegungen wie auch die Wohnungen in den hinteren Hofbereichen“.

Ein Satz, den man getrost als aktuell bezeichnen kann, mit einer Ausnahme: Die 83 Mietparteien zwischen der Rosenthaler Straße und der Sophienstraße können, trotz Bauarbeiten und Publikumsverkehr, zufrieden sein. Die Wohnungen, 1906 bereits mit Sammelheizung ausgestattet, werden nicht luxusmodernisiert, sondern vielmehr instandgesetzt. „Die Mieten bleiben bezahlbar“, freut sich auch Rainer Blankenburg. Wo gibt es das schon, bezahlbare Mieten mitten im Museumsdorf.

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